14. Januar 2016

Drei Tage im Zeichen der Nachkriegsmoderne

ICOMOS Deutschland begeht 50jähriges Gründungsjubiläum in Mainz - Vom 26. bis zum 28. November 2015 standen das Mainzer Rathaus von Arne Jacobsen, die europäische Nachkriegsmoderne und ihre Erhaltung ganz im Fokus der Fachöffentlichkeit von Architekten und Denkmalpflegern. Gemeinsam war es der Generaldirektion kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz und der Architektenkammer Rheinland-Pfalz gelungen, die Fachtagung von ICOMOS Deutschland anlässlich ihres 50jährigen Gründungsjubiläums nach Mainz zu holen.

Der Tagungsort, dies betonte Professor Jörg Haspel, Präsident von ICOMOS Deutschland, war in zweifacher Weise idealtypisch gewählt: Zum einen ist die westdeutsche Sektion der weltweiten Denkmalschutzorganisation 1965 in Mainz gegründet worden. Darüber hinaus konnte aber auch das Mainzer Rathaus, selbst ein Werk der späten Nachkriegsmoderne und seinerseits nach mehr als 40-jährigem Wirtschaften aus der Substanz dringend sanierungsbedürftig, als Musterbeispiel dessen, woran es dem jungen baulichen Erbe der letzten Jahrzehnte fehlt, zählen.

So waren der Ratssaal und seine Tribüne von zusammen beinahe 300 Wissenschaftlern aus Forschung und Lehre, praktischen Denkmalpflegern, Architekten und Studierenden der einschlägigen Fächer eng besetzt. Die Kapazität des Zentrums Baukultur Rheinland-Pfalz reichte wie schon die des Landesmuseums am Abend zuvor gar nicht aus, die Gäste der beiden begleitenden Ausstellungseröffnungen „Mainz - ein Blick, viele Ansichten“ und „From 60 to 90 - Studentische Positionen“ zu fassen.

Zuhörer sitzen im runden Ratssaal aus Holz und hören dem Referenten am Rednerpult zu.
Prof. Jörg Haspel, Präsident von ICOMOS Deutschland.
Foto: Kristina Schäfer, Mainz
Drei Männer sitzen im Ratssaal nebeneinander. Der Mann in der Mitte spricht in ein Mikrofon.
Kammerpräsident Gerold Reker:sah in der Erhaltung wichtiger, aus der Nachkriegsmoderne stammender Bauten eine große Aufgabe für die Architektinnen und Architekten.
Foto: Kristina Schäfer, Mainz

Fachlich stand die wissenschaftliche Einordung einer von den Experten inzwischen geschätzten, aber noch nicht genau abgegrenzten Epoche auf der Agenda. Im Anschluss ging es um die Frage, wie viele der noch recht originalen Bauten zu erhalten seien. Keine leichte Aufgabe, denn immerhin ein Drittel des deutschen Baubestandes datiert aus dieser Zeit. Was bei den Fachleuten längst als ausgemachte Sache gilt - die Notwendigkeit des verantwortungsvollen Umgangs und gegebenenfalls sensiblen Weiterbauens, wo nicht ohnehin strenge konservatorische Regeln gelten - ist in der breiten Öffentlichkeit noch längst nicht angekommen. So gut die Zusammenarbeit von Architekten und Denkmalpflegern im Hinblick auf die Zeugnisse der Nachkriegsmoderne ist, so viel haben beide Professionen hier noch an Überzeugungsarbeit vor sich. Den Leistungen der jüngeren Vergangenheit, insbesondere ihren Großbauten gegenüber, wurde im Rahmen der Tagung europaweit eine schwache emotionale Verankerung in den Gesellschaften attestiert. Es fehlt, so die These, noch an zeitlichem Abstand zum Heute, um die für den Erhalt nötige Nobilitierung zu ermöglichen. Bis das so ist, ist es Aufgabe von Architekten und Denkmalpflegern einem leichtfertigen „…das kann dann mal weg…“ ihre fachlichen Argumente entgegenzustellen.

Den Bericht zur Veranstaltung des Kulturjournalists Andreas Pecht finden Sie hier: MEHR