14. März 2022

Ahrtal: Bauaufnahmen in den Flutgebieten

Die Nepomukbrücke in Rech ist seit dem Jahr 1981 als Kulturdenkmal geschützt.
Die Nepomukbrücke in Rech ist seit dem Jahr 1981 als Kulturdenkmal geschützt.
Foto: Heinrich Lessing, Mainz

Vertreterinnen und Vertreter von acht Hochschulen engagieren sich gemeinsam im Ahrtal

Die Hochwasserkatastrophe in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 hat in Teilen von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen Landschaftsräume, Städte und Gemeinden teilweise bleibend verändert. Acht Monate später ist vieles aufgeräumt, Schutt und Müll sind zu großen Teilen beseitigt, aber das Ausmaß der Zerstörungen zeigt sich beinahe so wie am ersten Tag. Am 4. August 2021 trafen sich zirka 20 Architekten und Architektinnen auf Einladung der Architektenkammer Rheinland-Pfalz bei Kollegin Annette Bartsch in Bad Neuenahr. Wie kann Unterstützung koordiniert werden, welche Aufgaben stellen sich in diesem Zusammenhang, so die Fragestellungen. Deutlich wurde, dass in vielen Fällen die Bestandspläne der betroffenen Gebäude als Grundlage für Sanierung und Wiederaufbau fehlen. Könnten hier möglicherweise Hochschulen helfen? 

Insgesamt acht Hochschulen erklärten daraufhin ihre Bereitschaft, im Wintersemester 2021-22 Bauaufnahmen und Voruntersuchungen für betroffene Objekte durchzuführen. Für über 100 Studierende und Lehrende sollte der Einsatz in den von den Fluten zerstörten oder beschädigten Gebäuden, Arealen oder Landschaftsräumen zu einer bleibenden Erinnerung werden. Erinnerungen, die den eigenen Hilfs­einsatz angesichts der teilweise überwältigenden Zerstörungen sehr schnell relativieren.


Analog und digital

Die Bestandsaufnahmen entstanden teilweise klassisch per Hand, als Aufmaß mit Nivellier und Zollstock, sorgfältig, verformungsgerecht und detailgetreu gezeichnet, teilweise mit allem was der Markt an aktueller Meßtechnik zu bieten hat. Laserscanner, Drohnen und elektronische Tachymeter mit beeindruckender Präzision kamen zum Einsatz. Höchst effektiv die vom Laserscanner erzeugte Punktwolke, die dann am Rechner zu lesbaren Plänen weiterverarbeitet werden muss. Äußerst lehrreich, der klassische Weg, mit Zollstock und Bleistift die teilweise offen liegenden Konstruktionen zu erkunden. Letztere Methode dient wohl eher dem Verstehen des Zusammenwirkens von Material, Fügung und Raum, wobei diese Arbeitsweise nicht die Präzision und das für die Weiterbearbeitung äußerst wertvolle, dreidimensionale Modell liefern kann. Beides sehr gut also.

Am 5. Februar 2022 trafen sich die beteiligten Hochschulen im Benediktinerkloster Maria Laach auf Einladung von Kammergruppensprecher Christian Kistner, um sich über die Erfahrungen aus den Projekten und über den aktuellen Arbeitsstand auszutauschen. Teilweise nachdenklich, mitunter auch mit Demut angesichts des Zerstörungsausmaßes, wurden Arbeitsstände vorgetragen. Realisierend wie klein sich der eigene Beitrag im Vergleich zu dem für die Bevölkerung entstandenen Verlust ausmachen würde, wurde trotzdem deutlich, dass sich das Projekt auch dann schon lohnt, wenn es auch nur ein baukulturell wertvolles Gebäude oder eine historische, den Landschaftsraum prägende Brücke retten könnte.


Baukultur als Blick in die Zukunft

Landeskonservatorin Dr. Roswitha Kaiser und Constanze Hüther vom Landesdenkmalamt, Edda Kurz als Vizepräsidentin und Joachim Rind als neugewählter Präsident der Architektenkammer Rheinland-Pfalz haben diesen Tag in Maria Laach begleitet und das Projekt maßgeblich unterstützt, viele der bearbeiteten Objekte wurden uns durch die Landesdenkmalpflege gemeldet, die auch die Kontakte herstellen konnte. Was alle Beteiligten in Maria Laach beschäftigt hat, ist der hohe baukulturelle Wert aller der insgesamt 27 bearbeiteten Objekte. Dies alles vor dem Hintergrund einer trotz der Zerstörungen sehr gut lesbaren Würde und Schönheit der Region. Wenn von diesem Tag mit allen beteiligten Hochschulen ein Wunsch, vielleicht auch eine Forderung ausgehen könnte, dann wäre es wohl das Erinnern und Festhalten an dem Wert der Baukultur, soweit der in Gebäuden, Straßenräumen, Brücken und Stadträumen dokumentiert ist. Diese Dokumente dürfen dabei nicht nur als Blick in die lange Vergangenheit der Region, sondern vor allem auch als Blick in deren Zukunft verstanden werden.

Beteiligte Universitäten

  • Hochschule Augsburg mit Prof. Marcus Rommel und Prof. Jens Gattermann
  • Hochschule Mainz mit Prof. Jürgen Rustler und Joel Jöbgen
  • Hochschule Trier mit Prof. Oskar Spital-Frenking, Prof. Robert Thum
  • Technische Hochschule Köln mit Prof. Nikolaus Bienefeld und Prof. Paul Böhm
  • Hochschule Kaiserslautern mit Prof. Werner Bäuerle
  • Frankfurt University of Applied Sciences mit Prof. Jens Brauneck, Prof. Wolfgang Jung, Diana Warlo und Prof. Heinrich Lessing
  • Hochschule Koblenz mit Prof. Ulof Rückert und Prof. Stephan Jost
  • Technische Universität Kaiserslautern mit Prof. Josef Baulig und Dr. Heribert Feldhaus

Text: Heinrich Lessing, Architekt und Professor für Entwerfen und Baukonstruktion an der Frankfurt University of Applied Sciences