11. Dezember 2014

MehrWert statt Müll - Architektur als Ressource

Vierzehn Experten sprachen und diskutierten am 4. Dezember 2014 im Kulturzentrum (KUZ) Mainz über die Themen Recycling, Upcycling und Lebenszykluskosten. Zur Tagung nach Mainz eingeladen hatten die Architektenkammer Rheinland-Pfalz, das Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung sowie die Ingenieurkammer Rheinland-Pfalz im Rahmen des Bündnisses „Kreislaufwirtschaft auf dem Bau“.

Muck Petzet, Generalkommissar des Deutschen Pavillons auf der Architekturbiennale von Venedig 2012 favorisierte in seinem Leitbeitrag einmal mehr den Dreischritt von Reduce (Vermeidung) - Reuse (Weiterverwendung) und Recycle (Verwertung) von Bauschutt. Er sieht in der Architektur selbst die beste Ressource, die es zu erhalten und bestmöglich zu pflegen gilt, um das Entstehen von Bauschutt an der Wurzel einzudämmen. Intelligente, minimalinvasive Lösungen sind sein Credo. Er möchte in gute Planung und Qualität investieren, nicht in billige, schnell erstellte und schnell wertlose Baumasse.

Zur Tagung nach Mainz eingeladen hatten die Architektenkammer Rheinland- Pfalz, das Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung sowie die Ingenieurkammer Rheinland-Pfalz im Rahmen des Bündnisses „Kreislaufwirtschaft auf dem Bau“. Wirtschaftsministerin Eveline Lemke nahm in ihrem Eröffnungsstatement die Planer für das Ende der Verwertungskette in die Pflicht: „Das bundesweit einmalige Bündnis ‚Kreislaufwirtschaft auf dem Bau‘ braucht die Ingenieure und Architekten, die Meinungsmacher bei den Bauherren sind. Unser Ziel ist es, Bau- und Abbruchabfälle - soweit technisch möglich, wirtschaftlich sinnvoll und ökologisch verantwortbar - als sekundäre Rohstoffe zu nutzen. Das schafft Mehrwert, denn Bau- und Abbruchabfälle bilden den größten Stoffstrom in der Abfallwirtschaft. Für die Umsetzung einer echten Kreislaufwirtschaft sind Akzeptanz nötig und Ideen“, so die stellvertretenden Ministerpräsidentin.

Kammerpräsident Gerold Reker hob ebenfalls die Schlüsselstellung der Planung hervor. Mit dem Einsatz von recycelten Materialien den Baustellenalltag zu erreichen, darin sah er nur einen ersten Schritt. Darüber hinaus bestehe die eigentliche eigentliche Herausforderung darin, möglichst wenig Abfall zu erzeugen und, so Reker weiter, die umweltrelevanten Begleiterscheinungen mitzudenken. „Eine Architekturdebatte ‚statt Müll‘ geht nicht ohne die interdisziplinäre Integration seit langem bewährter Fachdisziplinen der Raumordnung und des Immissionsschutzes.“ 

Rotorblätter in Rotterdam

Inspirierende Beispiele, wie Bauen aussehen könnte, wenn Bauschuttvermeidung und Recycling im Vordergrund ständen, gaben Prof. Silke Langenberg aus München und Architekt Jan Jongert, Superuse Studios Rotterdam. Jan Jongert denkt über stadträumliche Durchmischungen zur Bewältigung von Recyclingfragen nach. Seine Lösungen basieren auf lokalen dynamischen Netzwerken zum Austausch von Waren, Rohstoffen, Energie, Arbeit und Kapital. Konkret war das Recyceln von Windmühlen sein - typisch niederländischer - Beitrag zum Verwertungsthema. Allerdings verwenden Superuse Studios keine historischen Mühlen. Sie kreieren aus funktionslos gewordenen Rotorblättern moderner Windräder Spielplätze, Bushaltestellen und Verweilzonen im öffentlichen Raum. Dabei transportieren die Rotorblätter sympathisch-ironisch ihren Charakter als Maschinendinosaurier der Jetztzeit vom freien Feld in den Stadtraum.

Alte Konzepte - neu gedacht Teuer oder wertvoll? War die Leitfrage von Prof. Silke Langenberg. Ihr Fokus liegt auf dem jungen baukulturellen Erbe der sechziger und siebziger Jahre. Geforscht hat Langenberg zu den Hochschulbauten der bildungspolitischen Aufbruchjahre in Deutschland. Nicht nur baukulturelle Aufladung, sondern auch die Lebenszykluskosten von Gebäuden und die in ihnen verbaute graue Energie fließen in ihre Bewertung dieser Bauten ein. „Während die denkmalgeschützten Bauten als kostbares kulturelles Erbe weitgehend anerkannt sind, gelten die großen Bestände der Boomjahre noch immer als kostenverursachende Zumutung. Doch sind es gerade diese Bestände, in denen großes Potenzial liegt, die in der Regel mehr Möglichkeiten zur Nutzung und Veränderung bieten oder zulassen und deren Aufgabe im Zweifelsfall auch eine Option ist. Prof. Dr. Michael Braungart steht für das Cradle-to-Cradle®-Prinzip, in dem Altmaterialien vollständig in einen geschlossenen Stoffkreislauf einfl ießen. Die Bauten der Nachkriegsmoderne sind für ihn wegen hoher Schadstoffbelastungen ein großes Problem. Langenberg, Jongert, der Ökovisionär Braungart und Petzet sowie zehn weitere Experten diskutierten am Nachmittag in drei Workshops die Themenfelder von Recycling, Upcycling und Lebenszykluskosten.

Mehr Information

Die Tagungsbroschüre als PDF finden Sie unter Mehr...Eine Druckausgabe der Broschüre kann bei Frau Seitz-Wollowski (Tel. 06131/99 60 23 vormittags, seitz-wollowski@akrp.de) angefordert werden.