17. September 2015

Wettbewerb Wohnen & Leben auf dem Lande

Edda Kurz
Vizepräsidentin Edda Kurz
Foto: Heike Rost, Mainz

Edda Kurz, Vorstandsmitglied der Architektenkammer Rheinland-Pfalz zieht in der Oktoberausgabe 2017 des Deutschen Architektenblattes ein Fazit des Modellprojektes "Mehr Mitte bitte".

Am 7. Oktober 2015 findet die Abschlussveranstaltung der Wettbewerbsreihe im Modellprojekt „Mehr Mitte bitte“ statt, das gemeinsam vom Finanzministerium Rheinland-Pfalz und vom Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz in Kooperation mit der Architektenkammer auf den Weg gebracht wurde. Innerhalb eines Jahres wurde eine Serie von fünf Architektenwettbewerben in Rheinland-Pfalz durchgeführt, die sich alle um das Thema „Wohnen und Leben in ländlichen Ortskernen“ drehten.

Vorausgegangen war ein Aufruf an alle Gemeinden im ländlichen Raum mit 1.000 bis 10.000 Einwohnern, sich mit einem konkreten Bauvorhaben zu bewerben, das eine innerörtliche Brachfläche, Baulücke oder Umbaumaßnahme zum Gegenstand hatte. Voraussetzung war, dass Wohnungsbau geplant war, und dass ein Investor sich bereit erklärte, einen Architektenwettbewerb auszuloben und das Ergebnis umzusetzen und die Gemeinde dies unterstützt.

Fünf Teams aus Gemeinde und Investor wurden in einem Bewerbungsverfahren ausgewählt und hatten damit mit Ihrer Projektidee einen Architektenwettbewerb für ihren Orts- oder Stadtkern „gewonnen“: Das Finanzministerium und der Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz organisierten und finanzierten sämtliche Bestandteile eines Planungswettbewerbs nach RPW, von der Erarbeitung der Wettbewerbsauslobung über das Preisgericht bis zu den Preisen und der Preisverleihung an die teilnehmenden Architekturbüros.

Dabei sollen hier nicht die Wettbewerbsentwürfe und -ergebnisse im Mittelpunkt stehen, die dokumentiert sind, vielmehr soll das Ergebnis des Feldversuchs „Wettbewerb auf dem Lande“ näher betrachtet werden. Die Reihe „Mehr Mitte bitte“ bot eine einmalige Möglichkeit, Verfahrenskultur und Architekturqualität in die Fläche zu tragen und damit ein breites Publikum jenseits der Feuilletonberichte über Leuchtturmprojekte wie Parlamentsgebäude und Museen zu erreichen. Gleichzeitig konnte so dargestellt werden, dass Architektenwettbewerbe nicht den Prestigeprojekten und dem großen Maßstab vorbehalten sind, sondern ein nützliches Werkzeug, um die beste Lösung für eine Aufgabe gleich welcher Größe zu finden. Ein Werkzeug, das in Relation zur Aufgabenstellung jederzeit modifizierbar ist: Kleine Aufgabe, schlankes Verfahren.

Die enge Zusammenarbeit von Bauherr und Gemeinde war eine Voraussetzung für das Projekt: Die Gemeinde unterstützt und fördert die Projektidee, umgekehrt stellt der Bauherr sein Projekt in den Dienst der Aufwertung des Ortskerns und unterwirft dabei auch persönliche Belange den Kriterien des Gemeinwohls. Dies funktioniert in den überschaubaren Strukturen der kleinen Gemeinden unmittelbar und selbstverständlich, die persönliche Identifikation der Beteiligten ist eine grundlegende Basis, die Wege sind kurz und die Kommunikation ist direkt.

Bei den Bauherren handelte es sich in allen fünf Fällen um private Auslober, ein junges Paar, das in einer Abrissbaulücke ein Zuhause für eine Familie schaffen will, eine Genossenschaft, die eine seniorengerechte Wohnanlage plant, ein Investor, der ein altes Schulgebäude zum Generationenwohnen umnutzen will, und ähnliche Fälle; ein regelrechter Querschnitt durch Lebensformen und Wohnbedürfnisse.

Allen gemeinsam war dabei die Offenheit, mit der die Beteiligten dem Instrument Wettbewerb gegenübertraten. Die Bauherren und auch die meisten der beteiligten Orts- und Stadtbürgermeister hatten an einem solchen Verfahren vorher noch nicht teilgenommen, und die Aussicht, einen Entwurf anstelle eines Architekten auszuwählen und sich dabei mit jeweils einer Stimme einem demokratischen Juryentscheid unterzuordnen, war zunächst neu. Umso mehr wiegt die Tatsache, dass durchweg die Beratung durch externe Fachpreisrichter ebenso positiv bewertet wurde wie die Möglichkeit, unterschiedliche Entwurfskonzepte qualifiziert zu diskutieren und daraus die beste Lösung zu finden. Die Chancen, die dieser Prozess für die Qualität bietet, wurden überall anerkannt und gelobt.

Unterstützt wurde der Prozessgedanke von den vom Finanzministerium und dem Gemeinde und Städtebund Rheinland-Pfalz angeregten und als Schirmherrn begleiteten Preisverleihungen an jedem Standort, durch die das Wettbewerbsergebnis nicht nur gewürdigt sondern auch gefeiert wurde - ein wesentliche Bestandteil der Prozesskultur. Schließlich wird so dem Engagement der beteiligten Architekten Rechnung getragen, die mit Ihrem Entwurf Ihren Beitrag zur Architekturdiskussion und damit zur Baukultur leisten.
In diesem Sinne ist auch die Abschlussveranstaltung am 7. Oktober um 17 Uhr in der Akademie der Wissenschaften in Mainz (Anmeldungen: zentrale@gstbrp.de) ebenso zu sehen wie die Eröffnung der Ausstellung mit allen Wettbewerbsarbeiten am 10. November um 18.30 Uhr im Zentrum Baukultur. Hierzu sind alle Interessierten herzlich eingeladen. Gezeigt wird die Ausstellung bis zum 30. November. Wenn diese Veranstaltungen auch den vorläufigen Schlusspunkt von „Mehr Mitte bitte“ bilden, so sind sie gleichzeitig Beginn der Realisierungsphase: Den Bauherren, Architekten und Gemeinden alles Gute für die Umsetzung der Projekte!

            

Archivbeitrag vom 17. September 2015