16. August 2018

Menschenrecht Wohnen | Interview

Die Architektenkammer Rheinland-Pfalz hat gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft der Wohnungsunternehmen und der LIGA Freie Wohlfahrtspflege sozialpolitische Forderungen zum Wohnungsbau formuliert.

Herr Reker, was sind die wichtigsten Forderungen?

Zusammenfassen lassen sich diese unter die folgenden Stichpunkte:

  • Wir brauchen einen flächendeckenden, aktuellen Sozialbericht aus den Gebietskörperschaften in Rheinland-Pfalz als verlässliche Grundlage für gezieltes Handeln,
  • eine kontinuierliche und gleichwertige Förderung des Wohnungsbaus in Stadt und Land,
  • eine Schärfung und Bündelung der Förderprogramme,
  • eine gezielte und berechenbare Hilfe für einkommensschwache Haushalte
  • und eine sozial ausgewogene Grundstücks- und Baupolitik in den Kommunen.

Derzeit steht bspw. der Wohnungsmangel in den Ballungsräumen sehr im Fokus, die Schwierigkeiten in den strukturschwachen Regionen drohen dabei vernachlässigt zu werden. Für diese Regionen, die von Wegzug und Leerstand immer deutlicher gezeichnet sind, benötigen wir eine spezifische Förderung. Die soziale Wohnraumförderung muss hier durch eine Strukturförderung ergänzt werden. Um eine flächendeckende Versorgung auch mit bezahlbarem Mietwohnungsbau sicherzustellen, benötigen wir in diesen Regionen zudem öffentlich getragene Wohnungsbauunternehmen.

Warum braucht es dort, wo Leerstand herrscht, überhaupt Förderung?

Die billigen Mieten und Kaufpreise sind gerade das Problem. Es fehlt der Anreiz für Investitionen, da diese weder über Mieten noch über den Wiederverkaufswert der Immobilie refinanzierbar sind. Wenn sich die nötigen Investitionen nicht auszahlen, verkommen die Dörfer. Wer kann, zieht weg. Eine Abwärtsspirale beginnt. Auch ältere Menschen finden keine barrierefreien oder auch nur altengerechten Wohnungen – wenn sie ihr Haus dafür denn überhaupt verkaufen können. Die Förderung macht dringend nötige Erhaltungsinvestitionen möglich.

Weshalb ist eine Schärfung und Bündelung der Förderprogramme notwendig?

Nicht nur die Förderprogramme, auch die Kompetenzen müssen gebündelt werden. Eine dringende Aufgabe der drei zuständigen Fachministerien ist die projektraumbezogene, gemeinsame Beratung der Kommunen. Große Chancen brächte es bspw. die Maßnahmen der Initiative „Armut begegnen – gemeinsam handeln“, das Programm „Soziale Stadt“ und die „Soziale Wohnraumförderung“ aufeinander abzustimmen und integrativ anzuwenden.

Die Grundstücks- und Baupolitik sind ein weiterer Punkt. Was fordern Sie da?

Unser oberstes Ziel in der Grundstücks- und Baupolitik sollte es sein, Segregation zu vermeiden. Um das sicherzustellen, sollten die Kommunen Grundsatzbeschlüsse fassen, in denen eine allgemeine, verbindliche Quote für geförderten Wohnraum festgeschrieben ist. Baurecht kann dann nur noch geschaffen werden, wenn diese Quote eingehalten wird.

Ein weiteres Mittel sind Konzeptvergaben. Mit diesem Instrument lassen sich städtebaulich-soziale Ziele wunderbar umsetzen, ebenso wie mit dem Erbbaurecht. Eine in den vergangenen Jahrzehnten stark vernachlässigte Möglichkeit, um bezahlbaren Wohnraum langfristig zu sichern. Bei der Bereitstellung von Bauland müssen Kommunen diese wieder vermehrt nutzen. Und last but not least ist es wichtig, Masterpläne für eine integrierte Stadtentwicklung zu erstellen.

Wie kam es zu den nun formulierten gemeinsamen Forderungen?

Wir haben lange geglaubt, vor dem Hintergrund einer alternden und schrumpfenden Gesellschaft gäbe es ausreichend Wohnraum. Heute wissen wir: Das war ein Trugschluss. Doch obwohl es bereits erfolgreiche Initiativen und Bündnisse gibt und obwohl gebaut wird, wie seit Jahren nicht, fehlt weiterhin Wohnraum. Deshalb haben sich Kammer, Wohnungswirtschaft und Sozialverbände zusammengeschlossen und formuliert, wo die Politik im Land und in den Kommunen vordinglich handeln sollte.

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