19. November 2018

Verhandeln und Teilen: Wohnen für alle

Gesprächsrunde
Foto: Kristina Schäfer, Mainz

Studierende, Architekten, Wohnungswirtschaft, Wohlfahrtsverband und Staatssekretär diskutieren zum Abschluss der Ausstellung "Neue Standards – X Thesen zum Wohnen" in Mainz.

Mit 800 Euro geht es los, aber auch für knapp das Doppelte kann man in Mainz derzeit eine Wohnung von rund 80 Quadratmetern mieten. In Berlin stiegen die Mieten im letzten Jahrzehnt um fast 70 Prozent. In München wenden Studierende bis zu zwei Dritteln ihres Budgets für das Wohnen auf. Insgesamt fehlen rund 1,15 Millionen Mietwohnungen in Deutschland. Mit diesen Zahlen eröffnete der Moderator Ralph Szepanski den Abend und machte auch denjenigen im Publikum, die kürzlich nicht selbst eine Wohnung suchen mussten, die Brisanz des Wohnungsmarktes in den meisten Städten klar.

Ein Naturgesetz sind hohe Mietpreise in Metropolen aber nicht, darauf verwies Thomas Metz, Generaldirektor der Direktion Kulturelles Erbe in seiner Begrüßung. Am Abend zuvor hatte er in Trier die Ausstellung "Karl Marx Höfe 1920 - 2020" eröffnet. Das Wiener Beispiel lehrt: Es geht auch anders. Mietpreise von durchschnittlich 6 Euro pro Quadratmeter sind möglich. Mainz liegt schon mit der zulässigen Sozialmiete darüber. Und auch die Studierenden, die in der ersten von zwei Diskussionsrunden zu Wort kamen, kennen den Druck der Mietkosten.

Zum Ende der Ausstellung "X Thesen zum Wohnen" hatten BDA, Kammer, Landesmuseum und Finanzministerium gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft der Wohnungswirtschaft und der LIGA der freien Wohlfahrtsverbände am 26. Oktober zu einer Abschlussveranstaltung eingeladen, die noch einmal alle Forderungen zum bezahlbaren, nachhaltigen, sozialdurchmischten Wohnen auf den Tisch legte. Neben zweier Workshops mit Studierenden und Schülern war das Positionspapier "Menschenrecht Wohnen" von Kammer, Wohnungswirtschaft und LIGA Thema des Abends.

Im Studienalltag fehlt mir die Raumerfahrung
Clara Beckers, TU Delft

"Im Studienalltag fehlt mir die Raumerfahrung", resümierte Clara Beckers von der TU Delft. Unter dem Titel Raum.Straße.Stadt hatte sie sich im Workshop experimentell mit Erfahrungen im Stadtraum auseinandergesetzt. Nils Luscher von der TU Kaiserslautern hatte im Wohnen eine ebenso grundlegende wie komplexe, aber oft auch unterschätzte Aufgabe für Architektur und Stadtplanung entdeckt. Gemeinsam mit Marius Mersinger von der Hochschule Frankfurt und Prof. Heinrich Lessing, dem Vorsitzenden des BDA Rheinland-Pfalz, stellten sie die Ergebnisse ihres dreitägigen Workshops vor.

"Stadt verhandeln" und "Wer teilt hat mehr"

Vom Grundsätzlichen leitete die zweite Gesprächsrunde dann ins Politische über. Kammer, Wohnungswirtschaft und Wohlfahrtsverbände hatten im September gemeinsam eine Positionierung mit dem provokanten Titel "Menschenrecht Wohnen" vorgelegt. Für die Herausgeberinnen des Papiers gingen Kammerpräsident Gerold Reker, der scheidende Vorsitzende der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege in Rheinland-Pfalz, Hans-Jürgen Eberhardt, und Roswitha Sinz für die Arbeitsgemeinschaft rheinland-pfälzischer Wohnungsunternehmen gemeinsam mit Prof. Dirk Bayer von der TU Kaiserslautern und Staatssekretär Dr. Stephan Weinberg unter dem Titel "Wohnen für alle – was braucht es dafür?" in die Diskussion.

Ralph Szepanski griff zwei Thesen der Ausstellung auf, um die Brücke zwischen ihr und dem Forderungspapier von Kammer, Wohnungswirtschaft und Wohlfahrtspflege zu schlagen. Das Aushandeln verschiedener Interessenslagen und im städtischen Zusammenleben und seine Ergebnisse sind, so konkretisierte es Kammerpräsident Gerold Reker, am Ende durch Instrumente zu sichern. Er nannte hier die Konzeptvergabe, eine verbindliche Quotierung von Sozialwohnungen und eine Masterplanung als Grundlage strategischer Stadtentwicklung. Neben dem Land nahm der die Kommunen dazu in die Pflicht.

Dem stimmte Prof. Bayer für den BDA Rheinland-Pfalz zu und rief dazu auf, die noch rund zehn Prozent des Baulandes, das sich im öffentlichen Besitz befindet, mutiger und experimenteller zu nutzen. Auf Qualität komme es an: "Unspektakuläre Dinge gut bauen, das ist die Königsklasse", so Bayer. Wie Qualität im Stadtleben tatsächlich umzusetzen sei, fasste Hans-Jürgen Eberhardt mit "Rathaus, Du bist nochmal dran" zusammen. Denn Stadtplanung müsse über die Wohnung hinaus denken und im Quartier alle nötigen Einrichtungen mit schaffen.

Rathaus, Du bist nochmal dran
Hans-Jürgen Eberhardt, LIGA der Freien Wohlfahrtspflege in Rheinland-Pfalz

Dass das Land diese Situation verstanden hat, machte Finanzstaatssekretär klar: "Bezahlbares Wohnen ist eines der zentralen Themen unserer Zeit. Wir arbeiten mit vielen Partnern engagiert daran (…). Insgesamt stellt das Land für die soziale Wohnraumförderung im Jahr 2018 unter Einbeziehung des Kreditvolumens der ISB 300 Millionen Euro bereit", so Dr. Stephan Weinberg. Er verwies auch auf das Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen. Hier arbeite man mit zahlreichen Institutionen aus den Bereichen des Planens und Bauens, der Wohnungswirtschaft, der Kommunen sowie verschiedenen Interessenvertretungen gemeinsam.

Doch Fördergelder alleine können, hier war sich die Runde einig, ein "Wohnen für alle" nicht schaffen. Eine Debatte um die Nutzung des knappen Gutes Boden, den immer weiter steigenden durchschnittlichen Wohnraumverbrauch pro Kopf, die Situation der ländlichen Räume und die Schaffung geeigneter Strukturen bis hin zur Frage der Finanzierung notwendiger Planungen waren Themen der Runde.