21. August 2008

"Ich wollte schon immer die Welt sehen"

Daniel Schumann hat Architektur an der RWTH Aachen studiert, anschließend drei Jahre in London gearbeitet, bevor er 2002 für den Deutschen Entwicklungsdienst (DED) als Architekt nach Malawi ging. Inzwischen ist er dort mit einer Malawierin verheiratet. In Deutschland ist er in Wittlich zu Hause. Die Fragen an Daniel Schumann stellte Kerstin Mindermann.

Herr Schumann, was hat Sie nach Malawi geführt?
Der Deutsche Entwicklungsdienst. Ich habe 2001 in London gearbeitet und mich nach etwas Neuem umgesehen. Da sagte mir mein Vater, dass der DED eine Stelle in Nepal ausgeschrieben hätte. Ich habe mich beworben, es hat dann aber noch ein Jahr gedauert, bis der DED mich zu einem Gespräch einlud. „Wir nehmen Sie“, sagten meine Gesprächspartner, „aber Sie müssten nach Malawi gehen“.

Mit der Alternative waren Sie zufrieden?
Ja, ich hatte Freunde, die für Ärzte ohne Grenzen in Malawi waren. Die sagten mir: Mach das, das Land ist wunderschön!

Hat der DED speziell Architekten gesucht?
Ja. Das war für ein Programm, das Infrastruktur in kleineren Städten aufbaut. Es soll verhindern, dass die Menschen massenhaft in die großen Städte ziehen. Für das Projekt habe ich fast fünf Jahre gearbeitet.

Was war dabei Ihre Aufgabe?
Ich habe als Architekt diese Infrastrukturen entwickelt, zusammen mit einem Team aus Planern und anderen Architekten, Wasserbauingenieuren und Bauingenieuren.

Haben Sie die Projekte geplant oder koordiniert?
Ich habe beides gemacht. In meiner ersten Position habe ich eine Stadthalle sowie eine neue Stadtverwaltung geplant und auch gebaut. Ich habe da alles gemacht, von den ersten Beratungen mit der Stadtverwaltung bis zur Übergabe. Dann bin ich in die Hauptstadt Lilongwe gewechselt. Von dort aus haben wir die Planungen für eine Stadt etwa 100 Kilometer südlich bearbeitet. Dort sind ein Stadion, Busstationen, eine Versammlungshalle und neue Büros für die Stadtverwaltung entstanden.

Ist das Arbeiten in Malawi vergleichbar mit dem in Deutschland?
Das Programm wurde von einer deutschen Consulting Firma durchgeführt. Das heißt, das professionelle Umfeld war sehr Deutsch. Es gab viele deutsche Architekten und Ingenieure, die in dem Programm gearbeitet haben. Wir hatten aber auch malawische Kollegen, die sich da anpassen mussten. Das war nicht für alle einfach. Die Planungen für die Stadt haben wir in sieben Monaten durchgezogen und gebaut wurde in 18 Monaten, das war schon ziemlich flott.

In welcher Sprache wird bei Ihnen kommuniziert?
Die Amtssprache in Malawi ist Englisch, die andere Amtssprache ist Chichewa. Für uns im Büro war immer klar, dass wir Englisch miteinander sprechen, aufgrund der malawischen Kollegen. Das hat viel mit Respekt zu tun. Natürlich, wenn man in eins zu eins-Gesprächen mit einem anderen deutschen Kollegen war, hat man vielleicht auch mal schnell etwas auf Deutsch erklärt. Aber die Kollegen hier sprechen fast genauso gut Englisch wie Deutsch, viele haben jahrelang in englischsprachigen Ländern gearbeitet.

Das heißt, gute Englischkenntnisse waren eine Einstellungsvoraussetzung?
Ja, auf jeden Fall. Ich hatte zuvor in Deutschland über den DED auch noch etwas Chichewa gelernt.

Welche Anforderungen wurden noch an die Bewerber gestellt?
Berufserfahrung und viel Selbstständigkeit. Bei meiner ersten Position war ich sehr auf mich alleine gestellt. Man musste schon einen sehr guten Überblick über alle Gewerke haben. Aber natürlich hat man vieles auch hier gelernt. Das Arbeitsumfeld, besonders auf der Baustelle ist sehr anders, die technischen Anforderungen an das Bauen sind einerseits sehr viel einfacher, hier braucht man beispielsweise keine Gewerbeschutzverordnung und keine Isoliergläser. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Dinge, die das Arbeiten umfangreicher gestalten. Dazu gehört, dass man Bauarbeitern auf der Baustelle zeigt, wie es funktioniert, wie man zum Beispiel ein richtiges Aufmaß macht. Für die Menschen hier war das Neuland. Und es passiert jeden Tag etwas, was man nicht voraussehen kann. Wo man glaubt, da kann überhaupt nichts schief gehen, passiert doch noch etwas. Der Alltag ist voller Überraschungen. Das macht die Arbeit sehr interessant.

Wenn man Überraschungen mag.
Ja, aber, dann macht es Spaß.

Sind Sie von der Consulting Firma angestellt oder vom DED?
Ich war die ersten drei Jahre beim DED angestellt. Dann bin ich in die Hauptstadt gewechselt für die Planung der zweiten Stadt. Da habe ich eine Stelle übernommen, bei der ich sehr viel mehr Verantwortung trug. Das konnte nicht mehr unter dem Schirm des DED geschehen. Daraufhin hat die Consulting Firma mich übernommen. Ich habe aber immer noch sehr gute Kontakte zum DED und war erst kürzlich wieder als Kurzzeitentwicklungshelfer für den DED hier in Malawi tätig. Auch mit der Consulting Firma arbeite ich immer wieder zusammen. Ich bin jetzt zwar in erster Linie selbstständiger Architekt, arbeite aber fast ausschließlich in der Entwicklungszusammenarbeit.

Gebe es auch genug malawische Auftraggeber um dort ein gesichertes Auskommen zu haben - auch für einen ausländischen Architekten?
Nur von Privataufträgen zu leben wäre schwierig. Es ist nicht unbedingt so, dass man keine Projekte oder Kunden findet. Aber die Zahlungsmoral in einem Land wie Malawi ist sehr schwierig. Die Menschen bestellten gerne... Das habe ich auch in anderen Ländern, die sich noch entwickeln, kennen gelernt. Ich war über Weihnachten dreieinhalb Monate im Jemen, da ist es genauso. Auch da haben Architektenkollegen erzählt: Man kann 20 Aufträge haben, aber drei bezahlen vielleicht.

Wie lange dauert ein durchschnittlicher Aufenthalt für den DED? Sind drei Jahre, die Sie für den Entwicklungsdienst gearbeitet haben, üblich?
Die Standardverträge laufen zwei Jahre mit Verlängerungsoption um jeweils ein Jahr. Das wird in der Regel auch genutzt. Man braucht erstmal ein halbes Jahr um sich einzugewöhnen, dann sind nur noch eineinhalb Jahre übrig. Das ist aber sehr abhängig vom Projekt und vom Programm, ob die überhaupt so lange tragen und unterstützt werden.

Das man vom DED angestellt und von Land zu Land geschickt wird, ist nicht üblich?
Nein. Der DED möchte Mitarbeiter für eine überschaubare Zeit anstellen. Die werden dann entsprechend bezahlt, wobei die Entlohnung nicht besonders gut ist. Wenn man allerdings eine größere Familie hat, wird es interessanter, weil vieles vom DED bezahlt wird: die Schule, die Unterkunft etc. Man kann auf der DED-Website nachschauen, was für Stellen angeboten werden, wo und mit welchen Anforderungen.

Das heißt aber, es werden permanent Architekten gesucht?
Es werden auch Architekten gesucht. Vielleicht weniger als andere Professionen, Leute aus der Wirtschaft und Sozialarbeiter sind, denke ich, gefragter. Wenn man aber einen Planer sucht, dann ist es durchaus üblich, dass ein Architekt genommen wird. In der Regel plant man aber nicht nur, man ist häufig auch Berater für eine Stadtverwaltung oder für non-governmental organisations, man versucht Finanzierungen zu regeln, man ist so ein bisschen Mädchen für alles. Man muss sehr flexibel sein, sehr offen und interessiert.

Was es interessant macht.
Ja, auf jeden Fall. In vielerlei Hinsicht lebt oder arbeitet man Leuten vor Ort vor, wie es gemacht wird. Es ist Wissenstransfer. In den Programmen, in denen ich gearbeitet habe, haben viele Malawier sehr deutlich gesehen, wie ein westliches Arbeitsumfeld funktioniert, welche Vorteile es hat und auch welche Nachteile.

Wie ist denn das Leben in Malawi?
Wunderschön. Malawi ist ein ausgesprochen schönes Land, es ist sehr vielseitig auf kleinem Raum. Das Leben mit den Menschen ist sehr angenehm, auch das Arbeiten. Sie sind sehr hungrig, etwas zu lernen, sie sind sehr offen und auch sehr geduldig mit einem.

Waren Sie am Anfang über den DED angestellt und so auch direkt weiter im deutschen Sozialsystem versichert?
Der DED regelt sehr viel für einen. Aufenthaltsgenehmigung, Sozialversicherung, Krankenversicherung, das wird alles vom DED übernommen. Das Schulgeld wird bezahlt, für den Ehepartner gibt es etwas extra, für die Kinder kommt noch etwas oben drauf. In Malawi bekommt man rund 900 Euro raus, als Alleinstehender, das ist steuerfrei, zum Glück. Man wird beim DED aber sicherlich nicht reich.

Ich hätte gedacht, dass 900 Euro im Monat in Malawi schon eine Menge Geld ist.
Malawi ist nicht billig. Sich zu ernähren, dürfte hier genauso teuer sein, wie in Deutschland. Es wird fast alles importiert. Es sei denn, man möchte leben wie ein Malwier. Dann isst man jeden Tag das gleiche und ein Mal im Monat gibt es Fleisch. Das Gehalt vom DED ist abhängig vom Land, da gibt es Ausgleichskoeffizienten.

Was unterscheidet das Leben in Malawi von dem in Deutschland?
Das kulturelle Angebot, das Angebot an Abendbeschäftigung ist gering. Das hat viel damit zu tun, dass Lilongwe relativ klein ist, nur rund 400.000 Einwohner. Die meisten kommen allerdings gerade so über die Runden. Das heißt, es gibt nur eine kleine Gruppe von Leuten, die es sich leisten kann abends mal essen oder weg zu gehen.

Wollen Sie in Malawi bleiben, oder können Sie sich auch vorstellen wieder nach Europa zurückzukehren?
Das weiß ich noch nicht. Das kommt darauf an, was geboten wird. Es wäre für mich sicherlich schwierig wieder in einem konventionellen deutschen oder englischen Architekturbüro zu arbeiten und dort nicht mehr mein eigener Chef zu sein. Natürlich könnte ich mich auch selbstständig machen, aber so wie ich die momentane Lage sehe, scheint es nicht ganz einfach zu sein. Ich sehe meine Zukunft eher in der Entwicklungszusammenarbeit. Wenn man schon länger in dem Geschäft ist, kennt man viele Leute, die immer wieder anfragen: Hätten Sie Lust hierhin oder dahin zu gehen?
Im Moment scheint es so, dass wir noch Ende dieses Jahres für eine längere Zeit nach Asien gehen werden.

Vielleicht doch irgendwann noch Nepal?
Vielleicht. Ich wollte schon immer die Welt sehen, und wenn man dies mit der Arbeit kombinieren kann, ist das nicht das Schlechteste. 

 

Archivbeitrag vom 21. August 2008