27. August 2008

"Man muss es wollen!"

Erfahrungen rheinland-pfälzischer Absolventen im Ausland, aber auch auf benachbarten Berufsfeldern stehen im Mittelpunkt einer kleinen Reihe. Michael-Johannes Müller arbeitet in Dubai in der Niederlassung des Darmstädter Architekturbüros Planquadrat. In Deutschland ist er in Kaiserslautern zu Hause. Die Fragen an Michael-Johannes Müller stellte Kerstin Mindermann.

Herr Müller, Sie arbeiten seit einigen Monaten in Dubai - der Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten.
Was wir hier in Deutschland immer sehen, sind Hochglanzbilder, die touristischen Hotspots. Man denkt, Dubai besteht nur aus Ferraris und Hochhäusern, die an Geschmacklosigkeit grenzen. Das sind aber nur 20 Prozent der gesamten Stadt. Wenn ich durch Frankfurt fahre sehe ich mindestens genauso viele Ferraris. In Dubai gibt es auch eine Altstadt, der Großteil besteht aus ganz normalem städtischen Leben, auch mit Slums. Dort leben vor allem Inder. Die gesellschaftliche Hierarchie ist klar gestaffelt: Zuerst kommen die Emiratis, dann alle anderen Golfanrainer, dann die Europäer als Ingenieure oder Ärzte, dann kommen die Araber aus Nicht-Golfstaaten, die Philippinos, die meistens im Dienstleistungsbereich arbeiten, die Pakistanis und ganz unten die Inder. Das ist wirklich schlimm, was man da sieht: Die Inder sind eine menschliche Ressource, die nichts Wert ist. Sie wohnen in Camps, dürfen von dort nur zur Baustelle fahren und wieder zurück, und müssen spezielle Overalls tragen. Das ist das andere Bild von Dubai, die Stadt hat wirklich zwei Gesichter.

Und die unbegrenzten Möglichkeiten beim Bauen?
Es ist schon so, dass gestalterisch viel möglich ist. Jeder möchte sich in Dubai - ob nun kitschig oder nicht - verewigt wissen. Die Bauvorschriften sie aber genauso streng wie in Deutschland. Wir verbringen da noch mehr Zeit mit Behördengängen als in Deutschland. Man meint immer, die deutsche Bürokratie... Das gibt es in Dubai aber auch, es gibt sogar noch viel mehr Behörden, die mitmischen möchten. Und trotzdem werden verrückte Sachen gebaut. In Dubai ist vieles möglich. Es kommt jetzt, nach fast einem Jahr, immer noch vor, dass ich den Kopf schüttel - sowohl positiv, wie auch negativ. Man kommt unverhofft zu manchen Aufträgen, aber die sind genauso schnell wieder weg, wie sie da sind. Man bearbeitet beispielsweise einen Entwurf bis zum Bauantrag und plötzlich fällt dem Kronprinzen ein, dass er mit dem Grundstück etwas ganz anderes machen möchte.

Wird man für seine bis dahin erbrachten Leistungen wenigstens bezahlt?
Doch, man wird bezahlt.

Das ist das Positive dabei. Gibt es viele deutsche Büros in Dubai?
Schon einige. Die Architekturbüros brauchen allerdings immer einen Local Sponsor: man kann nur mit einem Emirati zusammen ein Büro aufmachen.

Man braucht immer noch einen emiratischen Architekten?
Nein, das kann auch ein emiratischer Pilot sein. Er muss am Ende nur einmal im Jahr seine Unterschrift für die Behörden leisten und dafür kassiert er dann soundsoviel Prozent vom Gewinn. Leider geht es nicht anders. Es gibt noch die Möglichkeit in der Free Zone ein Büro aufzumachen. Dann muss man einen gewissen Obolus an den Staat beziehungsweise die Arabischen Emirate abgeben. Das ist aber meistens kostenaufwändiger, sonst würde man sich ja keinen Local Sponsor suchen.

Wie hoch ist der Anteil den der Local Sponsor bekommt?
40 bis 50 Prozent, das ist schon gewaltig.

Und es lohnt sich trotzdem noch dort Aufträge anzunehmen?
Man bekommt eben auch die entsprechenden Honorare.

Wie sind die Chancen, sich als Büro dort zu etablieren?
Das Büro, für das ich jetzt tätig bin, ist seit zweieinhalb Jahren vor Ort. Sie haben mit zwei Mitarbeitern angefangen, mittlerweile sind wir 16 bis 18. Jetzt kommt das Ganze aber erst in Schwung. Das Büro hat sich jetzt etabliert und sich einen gewissen Kundenstamm aufgebaut.

Ist das Büro nur mit dem Willen, dort tätig zu werden, nach Dubai gegangen, oder schon mit einem Auftrag?
Da bin ich mir nicht sicher. Die Büroinhaber haben, wenn ich mich nicht irre, mit dem hessischen Wirtschaftsministerium oder mit der hessischen Handelskammer eine Reise nach Dubai gemacht und daraus hat es sich ergeben.

Macht es überhaupt Sinn sich ohne Auftrag in Dubai niederzulassen?
Man braucht vor allem die Kontakte. Das kennt man ja auch aus Deutschland, aber in Dubai ist das noch entscheidender. In Deutschland wird noch viel über Wettbewerbe, Losverfahren oder VOF-Verfahren vergeben. Wettbewerbe kennt man in Dubai nur von absoluten Prestigeprojekten, wie Zaha Hadid in Abu Dhabi. Alles andere geht über Kontakte.

Was braucht man persönlich, um in Dubai zu bestehen?
Man muss es wollen! Es ist nicht einfach. Es ist nicht Amerika, es ist nicht Europa, es der Mittlere Osten. Das ist einmal eine Sache der klimatischen Bedingungen: Es sind wirklich schlimme Temperaturen, von Juli bis September geht man nicht raus, man schaut, dass man zu jeder Tageszeit in einem klimatisierten Raum ist: bis zu 50° Grad bei 88 Prozent Luftfeuchte. Die Lokale haben geschlossen, es findet kein Nachtleben statt und es kühlt auch nicht über Nacht ab. Man muss Ramadan mitmachen, auch als Nicht-Muslim. Und trotz der Liberalität, die in Dubai herrscht, ist es ein Arabisches Land. Die Scharia ist noch immer Gesetz, wobei sie nicht so ausgelegt wird, wie in Saudi Arabien oder im Nachbar-Emirat Schardscha. Es gibt einfach Sachen, da muss man sich umstellen. Man muss wirklich dieses Abenteuer wollen, und es ist ein Abenteuer. Man sollte nicht, weil nichts anderes da war, ins Ausland gehen. Das ist keine gute Voraussetzung.

Wie ist das Leben dort?
Bequem. Als Europäer kommt man überall rein. Der Service ist unglaublich gut, wenn man es sich leisten kann, der Lebensstandard ist in Ordnung, im Supermarkt bekommt man alles, die Dinge sind zum Teil günstiger, da es keine Mehrwertsteuer gibt. Man zahlt auch keine Steuern, das ist angenehm und Tanken macht unheimlich Spass. In Dubai kann man auch als Frau überall rein, im Emirat Schardscha, das nur 15 Minuten mit dem Auto von unserem Büro entfernt liegt, da ist es schon wieder anders. Das ist von Emirat zu Emirat verschieden. Es gilt generell in den Arabischen Emiraten keine Kopftuchpflicht, aber man darf zum Beispiel als unverheiratetes Paar in Schardscha nicht zusammen im Auto fahren. Das ist in Dubai kein Problem, aber auch hier darf man unverheiratet nicht zusammen wohnen. Ansonsten ist es aber sehr liberal.

Unterscheidet sich die Arbeit von der in einem deutschen Büro?
Wir arbeiten ziemlich klassisch. Bauleitung und Baumanagement machen Projektsteuerer, vor allem britische Firmen. Bis zur Leistungsphase sechs ist es jedoch sehr ähnlich.

Kommuniziert wird auf Englisch?
Komplett auf Englisch. Es spricht jeder Englisch. Wenn man nicht gut Englisch kann, sollte man sich davon nicht abschrecken lassen, man lernt es schnell. Was mir in dem Zusammenhang ungeheuer viel Spass macht, ist die internationale Zusammensetzung des Büros. Wir sind Deutsche, Ägypter, Libanesen, Iraker, Iraner, Syrer, Inder und Pakistanis. Wir haben untereinander sehr viel Spass, uns gegenseitig - mit einem Augenzwinkern - unsere Kulturen und Gepflogenheiten vorzuhalten.

Werden noch weitere Architekten gesucht?
Im Büro suchen wir immer noch neue Mitarbeiter, und es ist nicht so, dass man uns die Bude einrennt.

Ich weiß auch von anderen Büros, dass sie ebenfalls suchen. Wie kann man am besten diese Büros finden?
Ich kenne nur die Internetseite www.german-architects.com, wo man gezielt nach den Vereinigten Arabischen Emiraten suchen kann. Dort gibt es ab und zu Stellenanzeigen. Ansonsten würde ich mich informieren, welche Büros eine Niederlassung in Dubai haben und mich dann auf dem Weg bewerben.

Auf welchem Weg sucht Ihr Büro?
Meistens über persönliche Kontakte. Die typische Frage: Kennt Ihr jemanden?

Wie sind die Verdienstmöglichkeiten?
Es ist mehr als in gleicher Position in Deutschland, aber dass man in Dubai steinreich wird, so ist es nicht. Einer der Hauptpunkte ist, dass man dort keine Steuern zahlt.

Sind Sie in Darmstadt im Hauptbüro angestellt oder direkt in der Zweigstelle in Dubai?
Ich bin direkt in Dubai angestellt. Dazu braucht man ein Resident-Visa. Man reist mit einem Touristen-Visum ein und bevor man eine Stelle antritt muss man sich ein Resident-Visum besorgen. Das umfasst eine Aufenthaltsgenehmigung und Arbeitserlaubnis. Diese Resident-Visa sind etwas kostspieliger, werden aber meistens von den Büros bezahlt.

Damit hat man eine unbegrenzte Arbeitserlaubnis?
Die ist erstmal unbegrenzt. Man muss aber in Intervallen von ein oder zwei Jahren zu Untersuchungen damit es verlängert wird, natürlich nur so lange, wie man einen Job nachweisen kann.

Woraufhin wird raufhin wird man untersucht?
Wir waren mit etwa 400 Indern beim Arzt, da steht man in einer Riesenschlange. Es wird ein großes Blutbild gemacht. Wenn man eine ansteckende Krankheit hat, kann man nach Hause fliegen, auch bei Geschlechtskrankheiten.

Welche formalen Dinge muss man noch beachten?
Alle deutschen Kollegen, die dort arbeiten sind in Deutschland krankenversichert. Über den ADAC gibt es beispielsweise eine Langzeit-Auslandskrankenversicherung und auch das Versorgungswerk läuft in Deutschland weiter. Die Kollegen, die nicht in der Architektenkammer sind, sorgen privat für ihre Rente vor.

Wie lange bleiben die meisten Deutschen in Dubai?
Berufsübergreifend würde ich sagen: fünf Jahre. Das ist so das längste. Oldies sind dann schon sieben Jahre da und das ist dann wirklich schon lange. Das ist nichts, wo man alt werden kann. Wie lange wollen Sie noch bleiben? Das bin ich schon oft gefragt worden. Wahrscheinlich bis es mir zu den Ohren rauskommt und ich würde mal sagen, das ist noch mindestens ein halbes Jahr - mindestens.

Vielen Dank und noch eine schöne Zeit.

  

Archivbeitrag vom 27.08.2008