21. September 2018

Tiny Houses | Wie viel Raum braucht ein Mensch?

Herbert Hofer
Architekt und Vorstandsmitglied Herbert Hofer
Foto: Heike Rost, Mainz

Für die meisten Menschen ist das eigene Zuhause ein erstrebenswertes Ziel und zugleich ein wichtiger Bestandteil eines selbstbestimmten und unabhängigeren Lebens. Dies resultiert vor allem aus dem Grundbedürfnis nach Schutz. Doch ist Wohnen in den eigenen vier Wänden nicht nur ein Grundbedürfnis, sondern auch ein Grundrecht? Angesichts steigender Grundstücks- und Baupreisen sehen viele im Tiny House die einzige Möglichkeit, dieses Grundbedürfnis umzusetzen. „Less is more“ wird zur Maxime. Warum sich auch mit unnötigem Ballast abgeben? Ausgeklügelte Raumnutzungskonzepte und das Beschränken aufs Wesentliche schaffen Raum. Abgestellt auf einem angemieteten Stellplatz oder einem kleinen Grundstück, wird zudem keine neue Infrastruktur benötigt. Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist die Flexibilität: Tiny Houses sind zum Teil so klein, dass sie als mobiles Haus an ein Fahrzeug angehängt und über die Straßen zum nächsten Standort gezogen werden können. Zumindest, wenn dies von Beginn an konstruktiv berücksichtigt wurde. In unserer heutigen Zeit, in der das Berufsleben eine hohe Flexibilität fordert, ist dies ein wertvoller Zusatznutzen.

Tiny Houses – eine Lösung für unsere Städte?

Inwiefern das Tiny House auch einen Beitrag zum Mangel an Wohnraum in unseren Städten leisten kann, sei einmal dahingestellt. Auf jeden Fall kann es unsere Gesellschaft um eine weitere Wohn- und Lebensform bereichern und mehr Eigentümer unabhängiger von steigenden Mieten machen. In vielen Dingen entspricht es zudem den sich wandelnden gesell gesellschaftlichen Werten – wie ein selbstbestimmtes Leben, mehr Zeit für Familie, Kinder und Freunde. Dabei rücken auch Aspekte wie „Gemeinschaft“ und „Gemeinwohl“ wieder mehr in den Fokus; Teilen erlebt eine Renaissance und Konsum und Status spielen eine immer geringere Rolle.

Tiny Houses könnten eine weitere Wohn- und Lebensform bieten.

Im europäischen Vergleich ist Deutschland mit einer Wohneigentumsquote von rund 52 Prozent immer noch Schlusslicht; Rumänien führt die Statistik mit 96 Prozent an. Vor allem für junge Menschen wäre das Tiny House eine gute Alternative, um den Traum vom Eigenheim zu verwirklichen; ältere Menschen könnten sich hiermit nach Bedarf räumlich verkleinern. Für den Wohnungsmangel in den Städten bieten Tiny Houses jedoch eher keine Entlastung. Grundstücke sind begehrt, teuer und entsprechend dicht und hoch bebaut. Aber: Menschen unabhängiger von Bodenund Mietpreisspekulationen zu machen, unter anderem durch Förderung gemeinschaftlicher
Wohnprojekte, wäre ein lohnendes Ziel.

 

Archivbeitrag vom 21. September 2018