04. Februar 2011

Nötige Regeln - gute Bildung - schnelle Entscheidungen

Jahresempfang der Wirtschaft 2011: Gut 3.500 Gäste waren beim Jahresempfang der Kammern in der Mainzer Rheingoldhalle wieder dabei. Die Architektenkammer nahm den Empfang zum Anlass, zeitgemäße Haftungsregelungen im Rahmen der Neuordnung des Bau- und Planungsrechts zu fordern Der logische Grundsatz, dass jeder für die Schäden haftet, die er zu verantworten hat, muss endlich auch am Bau gelten.

Mit dem diesjährigen Empfang haben die Kammern der freien Berufe, die Landwirtschaftskammer, die Handwerkskammer für Rheinhessen und die Industrie- und Handelskammer Rheinhessen das runde Dutzend erreicht. Mehr als 3.500 Gäste und jeweils hochrangige bundespolitischen Redner machen diesen Empfang noch immer einzigartig in Deutschland. Vielleicht liegt es daran, dass das Publikumsinteresse ungebrochen groß ist.

In diesem Jahr war Rainer Brüderle als Bundeswirtschaftminister politischer Hauptredner des Abends. Der Präsident der Handwerkskammer, Karl Josef Wirges, begrüßte die Gäste, das Schlusswort sprach Dr. Harald Augter, Präsident der IHK. Den Part der Freien Berufe, den traditionell eine für alle neun Freiberuflerkammern übernimmt, füllte in diesem Jahr Ingenieurkammerpräsident Dr. Horst Lenz aus. Unter der Leitfrage „Fortschritt oder Rückschritt?“ nahm der die Rahmenbedingungen für freiberufliche Tätigkeiten vom Gesundheitswesen über die rechts- und steuerberatenden Berufe bis hin zum Bereich des Planes und Bauens auf. Deutlich wurde, dass es mit der einfachen Forderung nach Deregulierung kaum getan sein kann. Über alle Bereiche zeigte sich eine einerseits oft erdrückende Last von teils absurden Vorschriften bei gleichzeitigem Fehlen notwendiger Regulierungen auf anderen Ebenen.

Im Bereich des Planes und Bauens forderte Dr. Lenz deshalb für die Architekten und Ingenieure die Neuordnung des Baurechtes. Das alte Werkvertragsrecht werde, so Lenz, der komplexen Wirklichkeit des Baugeschehens längst nicht mehr gerecht. Ein zeitgemäßes, eigenständiges Planer- und Bauvertragsrecht stand deshalb in seinem Forderungskatalog an die Politik weit oben. Daneben erhob er die Forderung nach einer zukunftsfähigen Ausbildung des Berufsnachwuchses. Das starre System von Bachelor- und Masterabschlüssen wird bei der Mehrzahl der freien Berufe den hohen Wissensanforderungen nicht gerecht. Eine sechssemestrige Ausbildung befähigt weder Ingenieure noch Ärzte oder Architekten zum Beruf. Sowohl die Verantwortung gegenüber Bauherren, Patienten und Mandanten, die zu Recht eine erstklassige Beratung erwarten, als auch der nachwachsenden Generation gegenüber, die zum angestrebten Beruf durch die Ausbildung auch tatsächlich befähigt sein muss, fordern nach seiner Auffassung eine Mindestausbildungszeit von vier Studienjahren.

Der Hauptredner des Abends, Rainer Brüderle, konnte dem nur zustimmen. Im Mittelpunkt seiner Rede stand der wirtschaftliche Aufschwung Deutschlands, den es nun zu sichern und zu unterfüttern gelte. In der fundierten und umfassenden Ausbildung aller sah er die größte Herausforderung der kommenden Jahre. Die Probleme bei Bachelor- und Master-Abschlüssen waren in seinen Augen aber nur ein Teil des Problems. Zunächst gelte es, die Zahl derjenigen deutlich zu senken, die ohne Schulabschluss oder mit mangelhaften Kenntnissen für den Ausbildungsmarkt verloren seien. Die Qualität schulischer Ausbildung sei, so Brüderle weiter, Grundvoraussetzung für die Ausbildungs- und Studierfähigkeit der Jungen zu Zeiten des demografischen Wandels, der den Fachkräftemangel schon jetzt spürbar werden lässt.

Ein weiteres Hemmnis sah er in der Dauer von Entscheidungsprozessen. Stuttgart 21 war ihm nur ein Beispiel von vielen. Wenn eine Parlamentsentscheidung für die Frage nach Krieg und Frieden wie bei der Beteiligung am Afghanistanfeldzug ausreiche, könne es nicht sein, dass die Entscheidungen mehrerer Parlamente bei der Frage, ob und wie ein Bahnhof gebaut wird, durch einen Volksentscheid sanktioniert werden müssten. Ihm gehe es, so der Bundeswirtschaftsminister, gar nicht unbedingt darum, sich grundsätzlich für den Bau einer Autobahn oder eines Windrades zu entscheiden, sondern vorrangig darum, in vertretbaren Zeiträumen zum endgültigen Ja oder Nein zu finden.

Die von Dr. Lenz aufgeworfene Frage von notwendiger Regulierung griff er gerne auf, in dem er auf die Finanzmarktkrise und die dort noch längst nicht ausreichend eingebauten Regulierungsstrukturen einging.