20. März 2019

Generalist und Spezialist

Porträt Joachim Rind
Joachim Rind
Foto: Heike Rost, Mainz

Die Stellung des Architekten in einer industriellen Gesellschaft 4.0

Zum 100-jährigen Bauhausjubiläum ist es interessant nachzulesen, was der große Lehrmeister Walter Gropius in einem Artikel 1937 an der Harvard Universität schrieb: "Ich möchte, dass der junge Architekt fähig wird, seinen eigenen Weg zu finden, ganz gleich unter welchen Umständen; ich möchte, dass er unabhängig echte Form aus den vorhandenen technischen, wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen schafft, statt einer Umgebung, die vielleicht nach einer völlig anderen Lösung verlangt, eine erlernte Formel aufzuzwingen."

Bereits zur Bauhauszeit - einer Zeit großer gesellschaftlicher Umbrüche und der beginnenden Industrialisierung des Bauens - sind die Fragen um den Zukunftsanspruch der Ausbildungsziele von Architekturstudierenden an den Hochschulen heftig diskutiert worden.

Der 2. BDA-Hochschultag der Architektur befasste sich 2015 mit dem Thema "Generalist versus Spezialist" vor dem Hintergrund der zweistufigen Bachelor- und Masterausbildung. Hierbei wurde zu Recht in sieben Thesen der Ruf nach dem Generalisten als "Spezialist fürs Ganze" deutlich formuliert.

Generalisten und Spezialisten sind gefragt, da die Forderung an die Planung immer komplexer wird.

Und wie sieht die Wirklichkeit im Alltag unserer Büros aus? Wir machen uns fit für eine Zukunft der durchdigitalisierten Planung in einer durch digitale Prozesse beschleunigten und gesteuerten Bauindustrie mit fertig vorformulierten und DIN-konformen Bauteilen. Wir reagieren auf die sich regelmäßig verändernden, durch Juristen begleiteten und hochkomplexen Vergabeverfahren. Wir erleben bei öffentlichen Bauvorhaben eine Wirklichkeit innerhalb der Bauprozesse, die eine Flut von Regelwerken und deren Beherrschung voraussetzt. Und wir erfahren den eigentlichen Entwurfsprozess - das sich vertiefte Auseinandersetzen mit der Konzeptionierung einer Aufgabe - nur mehr als einen kleinen Teil der Gesamtaufgabe.

Dabei können wir unsere Arbeit nur leisten, weil wir Generalisten und Spezialisten haben: Architekten und Architektinnen, die den Blick fürs Ganze haben - vom Gesamtkonzept bis zum Detail - und Spezialisten, die sich im Dschungel der e-Vergaben, der VOB, der Standardleistungsbücher, der Ausschreibungsprogramme, der DIN-Richtlinien, der Zeichen- und Darstellungsprogramme und vielem mehr bestens und vertieft auskennen.

Die zunehmende Komplexität im gesamten Spektrum und im Verantwortungsbereich des Architekten führt allein schon innerhalb einer funktionstüchtigen Büroeinheit zu Schwerpunktbildung, Aufgabenteilung und damit Spezialisierung unseres gesamten Arbeitsfeldes.

 

Archivbeitrag vom 20. März 2019