06. April 2017

"Papa, was ist Baukultur?"

Publikum in mittelalterlich anmutendem Innenhof
Foto: GDKE Rheinland-Pfalz/Pfeuffer

Das Schaufenster Baukultur Koblenz wurde am 31. März 2017 auf der Festung Ehrenbreitstein in der Langen Linie eröffnet.

Mit der Antwort auf diese Frage, machte Professor Ulof Rückert von der Koblenzer Hochschule nicht nur ein Gespräch mit seinen Kindern am Frühstückstisch öffentlich, er fasste so narrativ auch zusammen, was die illustre Reihe seiner Vorredner bei der Eröffnung des "Schaufensters Baukultur" in der Langen Linie auf der Festung Ehrenbreitstein in vielen unterschiedlichen Einzelfacetten bereits ausgeführt hatte.

Architekt Thomas Metz, der als Generaldirektor der GDKE oberster Herr der Denkmäler in Rheinland-Pfalz ist, widmete seinen Eröffnungsbeitrag dem "Weiterbauen" an und in der Geschichte. Dabei konnte der Ort der Eröffnung, die Lange Linie, selbst als Beleg der verschiedenen Zeit- und Bauschichten, der Verwundungen, Reparaturen und Neuanfänge gelten. Erst ein Bombentreffer im zweiten Weltkrieg, so ein von Metz zitiertes Beispiel, fügte der Langen Linie den Bruch, die klaffende Lücke zu, in die sich die barrierefreien Einbauten im Vorfeld des BUGA-Jahrs 2011 einfügen konnten. Diese erschließen die historische Festungsanlage nun respektvoll, machen aber aus ihrer Bauzeit keinen Hehl, sondern stehen für die vorläufig letzte von vielen Bauschichten und für die Fortsetzung der Geschichte.

Der Koblenzer Architekt Joachim Rind, seit Anfang Februar im Vorstand der Architektenkammer Rheinland-Pfalz, seit 2011 bereits als Sprecher der lokalen Kammergruppe aktiv, blickte nicht nur auf die BUGA-Zeit in Koblenz zurück, die so viel angestoßen hatte, sondern auch auf die Baukulturdiskurse in Koblenz seither. Mit den Freunden der BUGA und der Gesprächsreihe "Grüne Stadt am Wasser" war in Koblenz erstmals ein solcher Diskurs aufgelegt und stetig fortgeführt worden. Für die Koblenzer Architektenschaft war dies Ansporn genug, nach einem Ort und nach Kooperationspartnern zu suchen, um dies zu intensivieren. Mit der Hochschule Koblenz und der Generaldirektion Kulturelles Erbe hatte die Kammergruppe Koblenz/Neuwied sich schnell gefunden. Wenige Gespräche und Monate später waren in der Langen Linie zwei Abstellkammern zu Ausstellungsräumen hergerichtet worden.

Ein Forum ist für alle da, für alle, die sich interessieren, die mittun wollen, die sich beteiligen oder soll ich besser sagen einmischen wollen, damit sich Planungen nicht an den Bedürfnissen der Menschen vorbei entwickeln, sondern gemeinsam mit ihnen. Aber vor allem oder ganz besonders soll das 'Schaufenster Baukultur' auch unsere Entscheidungsträger und Weichensteller in Politik und Verwaltung ansprechen und erreichen.
Joachim Rind, Koblenz

 

So skizzierte Rind in seinem Redebeitrag die Zielsetzung der neuen Spielstätte für Baukultur in Koblenz. Für die schnelle und unkomplizierte Hilfe bei der Umsetzung dankte er den Partnern Hochschule und GDKE, aber auch Präsident Gerold Reker und der Architektenkammer insgesamt.

In seiner Rede hob Gerold Reker die umfassende Bedeutung des Begriffs "Baukultur" hervor, der sich nicht im Ästhetischen erschöpfe, sondern ebenso emotionale wie physische Wahrnehmung gebauter Umwelt umfasse, ökonomische wie soziale Aspekte, funktionale und ökologische Anforderungen beinhalte. Reker erinnerte auch an die Zeitgebundenheit der Urteile.

Baukultur stellt keinen unverrückbaren Maßstab dar, sie kann keine festen Gesetze formulieren - manche hätten es gerne so einfach... Im Lauf der Zeit verändert sich (aber) die geistige Aufnahme und Verarbeitung von Architektur. Fein abgestufte Bewertungen werden vorgenommen, andere Betrachtungen werden vorrangig - und manchmal wird eine neue Anerkennung formuliert - wie derzeit die der Architektur der fünfziger und sechziger Jahre.
Gerold Reker, Kaiserslautern

 

In diesem Sinn wollte er Baukultur als das Ergebnis eines fortschreitenden Diskurses verstanden wissen, zu dem er alle einlud. Diese Debatte zu führen, sei Ziel des Schaufensters und bereichernd für die Stadt:

Mit diesem neuen Urbanismus von unten muss sich Stadtpolitik auseinandersetzen. Dieser neue Urbanismus nimmt Politik und Verwaltung weder Richtlinien- und Entscheidungskompetenz aus der Hand - und auch nicht Umsetzungspflichten und Verantwortung ab. Aber er fordert aktiv ein neues Bündnis von Stadtpolitik und Stadtgesellschaft ein. Dieses Verhältnis sollte von Partnerschaft und Offenheit geprägt sein.
Gerold Reker, Kaiserslautern

 

Joachim Rind hatte die Rede von Präsident Reker, der kurzfristig für den Abend hatte absagen müssen, verlesen.

Als Heimkommender gefeiert wurde Hanspeter Faas, der ehemalige Geschäftsführer der BUGA 2011 in Koblenz. Er brachte aus seinem aktuellen BUGA-Aktionsort Heilbronn die erste Ausstellung für das „Schaufenster Baukultur“ Koblenz mit: Eine Stadtentwicklungsmaßnahme auf einem alten Hafenareal in Heilbronn. Durchaus mit Blick auf Koblenz und die dort anstehenden Entwicklungsmaßnahmen auf dem Areal der Fritsch-Kaserne, die man gerne schon zur BUGA 2011 entwickelt hätte, die aber immer noch auf ihre Revitalisierung warten, skizzierte er ein mutiges Verfahren in Heilbronn. Dort hatte man sich vom Höchstpreisprinzip bei der Grundstücksvermarktung verabschiedet. Der Stadt ging es um die besten Konzepte, daher wurde zum fixen Preis ein Bewerberverfahren ausgelobt, in dem das beste Konzept den Zuschlag erhalten sollte. Zudem wurde die große Entwicklungsfläche unterteilt. Ganz bewusst gingen die Grundstücke nur an unterschiedliche Investoren mit unterschiedlichen Architekten. Ebenso bewusst wurde nicht gleich verkauft, sondern zunächst die Genehmigungsplanung vom Investor gefordert und erst auf dieser Grundlage der Verkaufsprozess abgeschlossen. Noch läuft das Experiment, Faas war aber zuversichtlich, dass ein so ambitioniertes Verfahren nicht nur wirtschaftlich zum Erfolg wird, sondern auch hohe Qualität in den neuen Stadtteil bringt. Mit großem Enthusiasmus und Interesse nahmen die anwesenden Architekten die Verfahrensvorschläge aus Heilbronn zur Kenntnis. Im anschließenden Austausch hörte man allenthalben die Hoffnung, dass auch die kommunalen Entscheidungsträger in Koblenz Wege zu solch kreativen Verfahren finden mögen.

Seinen Beitrag schloss Hanspeter Faas ab mit einem Ausblick auf die neu angedachte BUGA 2031 im Mittelrheintal. Hier, da war er sicher, gebe es einen enormen Bedarf und nach der BUGA 2011 eine zweite riesige Chance für die Region. Allerdings mahnte er auch zur Vorsicht. Wer meine, mit einer Kopie der BUGA 2011 auch 2031 Erfolg zu haben, der werde scheitern. Die Region sein aufgerufen, etwas Neues, etwas Eigenes und etwas Großes zu erfinden. Nur so werde 2031 zum Erfolg. Auf dem Weg dahin brauche es Diskussionsforen und Kristallisationspunkte. Ein „Schaufenster Baukultur“ käme da gerade recht.

   

Archivbeitrag vom 6. April 2017