21. Juli 2021

Verstehen | Fortschreiben | Vermitteln

Eröffnungstalk in alten Gemäuern
Eröffnungstalk der Initiatoren und Gastgeber: Dr. Markus Fritz-von Preuschen, GDKE, Hans-Ulrich Ihlenfeld, stv. Stiftungsvorsitzender und Kammerpräsident Gerold Reker. Moderation Marie-Christine Werner.
Foto: Kai Mehn, Neustadt

Denkmal 4.0: Das Hambacher Architekturgespräch widmete sich den Fragen der Digitalisierung

Digitalisierung und Denkmalpflege, Digitalisierung und zeitgenössisches Bauen sind für die jeweiligen Fachdisziplinen ganz selbstverständliche Begriffspaare. Trotzdem stellen sich mit jedem neuen Schritt der Digitalisierung für das Bauen im Bestand ganz eigene Fragen. Sie gilt es zu beantworten, um die neuen Werkzeuge ebenso effizient wie reflektiert einsetzen zu können. Denn eingesetzt werden sie immer mehr: Bei der Erfassung und Inventarisierung, im Fall von Eingriffen und Sanierungen und natürlich bei der Denkmalvermittlung. Verstehen, Fortschreiben, Vermitteln: die unterschiedlichen Professionen von Architektur und Denkmalpflege sind in allen Phasen beteiligt. Deshalb widmete sich das achte Hambacher Architekturgespräch am 17. Juni auf dem Hambacher Schloss bei Neustadt den Freuden und  Herausforderungen des digitalen Werkzeugkastens.

Kammerpräsident Gerold Reker, der stellvertretende Stiftungsvorsitzende und Landrat des Kreises Bad Dürkheim, Hans-Ulrich Ihlenfeld, und Dr. Markus Fritz-von Preuschen, Leiter der praktischen Denkmalpflege in derGDKE, nahmen den von Marie-Christine Werner, SWR2,  moderierten Eröffnungstalk zum Anlass, die unterschiedlichen Sichtweisen auf das Thema abzustecken. Aus Sicht der planenden Büros, das machte Gerold Reker für die Architektenschaft klar, liege die Zukunft im Zusammenbinden aller Beteiligten mit ihren jeweiligen Beiträgen auf einer digitalen Plattform. Hier gelte es, so Reker, vor- und nachgelagerte Prozessschritte medienbruchfrei, also digital anzuschließen, so auch das Bauantragsverfahren, womit die Brücke zu Landrat Ihlenfeld als Chef der Bauverwaltung geschlagen war. Dieser legte seinen Schwerpunkt aber auf die Vermittlung. Denkmäler und ihre Erhaltung, so sein Statement, seien öffentliche Aufgaben. Die Öffentlichkeit habe daher auch ein Recht auf breite und gut aufbereitete Information. Die Denkmalpflege in Rheinland-Pfalz sah Dr. Fritz-von Preuschen – er vertrat kurzfristig Generaldirektorin Dr. Heike Otto – bereits auf dem Weg: Denkmäler, Steueranträge und konservatorische Maßnahmen: Alles das finde bereits seinen Platz in der digitalen Denkmalliste. 

Von der Wählscheibe zum Tastentelefon

In der zweiten Gesprächsrunde stellte Matthias Siegert, VON M, Stuttgart, Sanierung, Erweiterung und Ausstellungsdesign von Hölderlins Geburtshaus in Lauffen am Neckar vor. Die Arbeit des Büros fußte auf dem von Strebewerk Architekten erarbeiteten digitalen Raumbuch. 

Seine Zukunftsvision bündelte Matthias Siegert im Bild einer HoloLens-Brille, mit deren Hilfe sich die analoge und die digitale Welt überlagern: Virtuelle Informationen liegen jederzeit intuitiv abrufbar an ihren realen Orten im Raum. Verglichen mit dieser Vision einer digitalisierten Baustelle sei man allerdings, so die nüchterne Analogiebildung, wohl in etwa auf dem Weg vom Wählscheiben- zum Tastentelefon – zur schnurlosen oder smarten Welt veranschlagte er zehn weitere Jahre.

Die Überzeugungskraft des Pappmodells

Trotz aller Digitalisierungseuphorie ist Serge Moorkens, (pfitzner moorkens) architekten Hannover, eine haptische, im wahrsten Sinn begreifbare Darstellung seiner Projekte wichtig. So baute sein Büro für die komplizierten Diskussionen um die Sanierung und den Einbau von Studierendenapartments in die 1963 erbaute Gerhard-Uhlhorn-Kirche in Hannover ein Pappmodell – selbstverständlich mit CNC-Technik. Das haptisch erfahrbare, in der Tiefe wirkende Modell – so seine Überzeugung – leistet fallweise für Entwurfsvermittlung und realitätsnahen Raumeindruck, was sich durch ein Rendering nicht ersetzen lässt.

 

Viele Informationen für wenige – wenige Informationen für viele

Die Präsidentin des niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege, Dr. Christina Krafczyk, stellte schließlich den digitaler Denkmalatlas Niedersachsen vor. Das vom Land geförderte Projekt bündelt die vielen Zielgruppen mit ihren spezifischen Informationsbedürfnissen auf  einer Plattform. Die kleine Gruppe der Fachleute kann - sobald das Projekt abgeschlossen ist - die maximale Informationstiefe für Forschungsfragen und den Bestandserhalt nutzen. Die breite Öffentlichkeit profitiert von einem gut erschlossenen, komprimierten Informationsangebot.
Die Plattform ist bereits online und wird schrittweise ausgebaut: MEHR

Chancen, Grenzen und Barrieren für eine raschere Einführung waren die Themen der Gesprächsrunde. Klar wurde, dass digitale und analoge Werkzeuge nicht grundsätzlich in Konkurrenz zu einander stehen. So war Siegert sicher, eine Materialbemusterung vor Ort nie digitalisieren zu können. Das Zusammenspiel aus Licht, Oberflächen, Texturen und konkreter Raumumgebung sei zu komplex. Moorkens schätzte am Analogen im Entwurfsprozess noch immer Unschärfe und Offenheit für spätere Annäherungen an ein noch zu findendes Ergebnis.

Damit für die weitere Pflege des kulturellen Erbes die in der Sanierung entstehenden Daten nicht verloren sind, forderte Siegert vehement eine amtsgeführte Software, in der auch Sanierungsplanungen abgelegt und für künftige Nutzungen dokumentiert werden können. Die Präsidentin des niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege konnte dem nur zustimmen, erinnerte aber auch an die Vielschichtigkeit von Rechten: Fotos, Entwürfe, Gutachten – Urheberrechte allenthalben, Eigentum, Persönlichkeitsrechte und Datenschutz – dem fleißigen Dokumentieren und Bereitstellen sind viele rechtliche Grenzen gesetzt. Auf der Chancenseite der Digitalisierung sah sie die Sicherung des Wissens, das durch den anstehenden Generationswechsel in den Denkmalämtern verloren zu gehen droht.

Gleich, ob es um das Überführen der durch und durch analogen Denkmäler in die Zukunft, das Weitertragen des Wissens über historische Bautechniken, Materialien und Typologien in den Ämtern und Planungsbüros oder eine kluge Weiterentwicklung der digitalen Werkzeuge geht  - das Schlusswort des Abends dazu hatte Matthias Siegert, sein Wunsch für die Zukunft: „Es müssen alle mitmachen!“

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