18. März 2009

Prof. Horst Römer

Am 19. April 2009 jährt sich der Todestag von Prof. Horst Römer, der im letzten Frühjahr nach längerer, schwerer Krankheit im Alter von 79 Jahren verstarb.

Ein Nachruf

Am 19. April 2009 jährt sich der Todestag von Prof. Horst Römer, der im letzten Frühjahr nach längerer, schwerer Krankheit im Alter von 79 Jahren verstarb.

Horst Römer war Architekt und Innenarchitekt sowie Hochschullehrer an der Technischen Universität Kaiserslautern. Er gehörte 1970 zu den Gründungsprofessoren der damals unter dem Kultusminister Bernhard Vogel als Doppeluniversität ins Leben gerufenen Hochschule Trier-Kaiserslautern. Über eine Dozentur an der ehemaligen Ingenieurschule Mainz führte ihn ein Ruf auf die ordentliche Universitätsprofessur nach Kaiserslautern. An der TU vertrat Horst Römer im Fachbereich ARUBI die Fachgebiete Entwerfen, Raumgestaltung und Möbelbau sowie das Fach Zeichnen und Malen bis zu seiner Emeritierung am 30. Juni 1994.

Der gebürtige Oberhesse Horst Römer war mit Leib und Seele Gestalter. Er studierte Architektur an der TU Darmstadt. Gern erzählte er von seiner Darmstädter Zeit, von seinen Lehrern Karl Gruber („Die deutsche Stadt"), von Theo Pabst, der ihn das Fügen lehrte, von dem Statiker Wilhelm Schorn, an dessen Lehrstuhl er schon früh als Student mitarbeitete, von dem Maler, Zeichner und Graphiker Bruno Müller-Linow und natürlich von Jan-Hubert Pinand, an dessen Lehrstuhl für Baukunst und Kirchenbau er seine akademische Laufbahn als Assistent begann. Nach Pinands plötzlichem Tod verwaltete Horst Römer den Lehrstuhl kommissarisch und führte auch begonnene Projekte des Büros Pinand zu Ende. Nach eigenen gewonnenen Wettbewerben und anerkannten Umsetzungen baute er in den folgenden Jahren unter anderem 14 Kirchen wie St. Fidelis in Darmstadt, die Festeburgkirche mit ihrer ausgezeichneten Akustik in Frankfurt-Preungesheim, St. Martinus in Gensingen, die Pfarrkirche Fränkisch-Grumbach, die Pfarrkirche Reichelsheim u.v.a.m.

Sein Empfinden für Raum, Lichtführung, Atmosphäre kam unzweifelhaft aus dem Kirchenbau. Seine Lieblingskirche war St. Philibert in Tournus, die bei jeder Fahrt in den Süden besucht wurde. Sie war ihm Vorbild, wie mit nur wenigen Materialien Raum und Atmosphäre zu erzeugen sind. Horst Römer war ein ausdauernder, konzentrierter Arbeiter und ein passionierter Hochschullehrer - immer präsent, immer erreichbar, manchmal knurrend, aber immer freundlich. Römer half Studierenden, die sich etwas schwerer taten, auf seine direkte, väterliche Art. Begabten ebnete er die Wege. Mancher Absolvent wird sich dankbar an Horst Römers direkte und indirekte Hilfen erinnern.

Er war ein neugieriger, fröhlicher Mensch, manchmal auch ein Clown in seiner blauen oberhessischen Fuhrmannsbluse, der zu leben wusste, der aus dem Vollen schöpfte. So konnte es durchaus vorkommen, dass Mitarbeiter kurz vor einem Brückentagwochenende zu einer Tour in die Provence verdonnert wurden, von der alle nach ununterbrochener Autofahrt mit vielen gezeichneten Blättern wieder nach Hause kamen, „savoir vivre" eingeschlossen. Gern angenommen wurden seine studentischen Zeichenexkursionen, mit denen er jungen Architekturstudenten die Augen öffnete, sie Räume, Formen und Landschaften sehen lehrte, ihnen optische Erkenntnisse vermittelte. Für manchen der erste Kontakt mit der weiten Welt.

Horst Römer war ein begnadeter Zeichner, der seine Arbeiten in mehr als 60 großen Ausstellungen an vielen Orten der Welt zeigte. Ein Weltpanorama von mehreren tausend großformatigen Blättern zeugt von seiner unbändigen Schaffenskraft. Er hat die Welt bereist und in allen Kontinenten gezeichnet, Europa, Süd- und Nordamerika, Russland, Asien, Afrika - kein Kontinent war im fremd. Dutzende Bücher und Kataloge bezeugen dies. Er war - so der russische Botschafter Wladimir S. Semjonow, der ihn 1979 zum ersten Mal in die Sowjetunion einlud, „die erste Schwalbe aus dem Westen", die den Eisernen Vorhang zur Sowjetunion öffnen half. Seine phantastischen Zeichnungen aus dem Goldenen Gürtel um Moskau, seine Zeichnungen aus Sibirien, Karelien, Azerbaijan, Armenien, Usbekistan, seine Ausstellungen in Moskau, in St. Peters-burg, in Tiflis und in Baku zeigen die gewachsene gegenseitige Wertschätzung.

Horst Römer suchte auch schon früh den Kontakt mit dem Partnerland Ruanda. Ein Forschungssemester verbrachte er in diesem Land, allein maß er das erste Haus der Partnerschaft in Kigali auf, plante es und sorgte für die bauliche Umsetzung. Einfühlsame Studien von den Menschen und der einzigartigen Landschaft dieses geschundenen Landes zeugen von seiner großartigen Beobach-tungsgabe. Mehr als 60 großformatige Blätter stellte er dem Land Rheinland-Pfalz zur Verfügung.

Neben aller Weltläufigkeit galt seine Liebe aber auch der neu gefundenen rheinland-pfälzischen Heimat. Hier hatte er einen großen Freundeskreis, hier arbeitete er unermüdlich und mit immer neuen Ideen an der Entwicklung der Hochschule. Er beriet das Land in gestalterischen Fragen, er stand Kommunen, Ämtern und Körperschaften mit Rat und Tat zur Seite, er war ein gern gesehener Preisrichter, Gutachter und Mediator, dabei schriftstellerisch und rhetorisch begabt, geschliffen und pfiffig. Politisch hoch interessiert stand er dem Land Rheinland-Pfalz für viele Projekte zur Verfügung, er warb im In- und Ausland für das Land und für den Universitätsstandort Kaiserslautern. Wer ihn rief, konnte mit seiner Hilfe rechnen. 

Daneben plante und baute Horst Römer in wechselnden Partnerschaften unentwegt als Architekt und Innenarchitekt. Seine Pläne waren kleine Kunstwerke an sich. Auf schwerem Transparentpapier, nur mit Bleistift und ein wenig Filzstift oder Tusche, begann er oben links und endete ohne Verwischer und Radierfleck mit der Unterschrift rechts unten. Wer ihm dabei zuschaute, musste ihm sein großes Können attestieren. 

Zahlreiche gewonnene Wettbewerbe, die Sanierung des Hambacher Schlosses Anfang der 80er Jahre, der Saalbau in Neustadt an der Weinstrasse, der Keller Südliche Weinstraße in Edesheim, Rathäuser, Banken, Sparkassen, Stadthallen, Konzerträume, viele Sanierungen aber auch Brückenbauwerke und verkehrsbegleitende Bauwerke in ganz Rheinland-Pfalz zeugen von seinem unablässigen Schaffensdrang.

Horst Römer, der in seinen frühen Arbeiten eine stringente moderne Auffassung mit eigener expressiver Note (Bruno Müller-Linow) zeigte, stand der in den 80er Jahren beginnenden Postmoderne skeptisch gegenüber. Diese „Tapetenarchitektur" überzeugte ihn nicht. Er machte es sich deshalb zur Aufgabe, Studierende anhand handwerklich geprägter Fügungen mit Gestaltungsfragen vertraut zu machen. Das haben viele Neuerer nicht verstanden. Horst Römer sah das nicht als restaurative Fortführung überholter Handwerkstechniken. Für ihn war es ein Statement gegen eine Verflachung gewachsenen Kulturgutes, das es zu schützen galt, ein Statement gegen einen ihn nicht überzeugenden Mainstream. Das Arbeiten im Sinne der zweiten Moderne überließ er anderen - ohne deren Qualitätsansprüche anzuzweifeln. Er entwickelte seine Vorliebe für eine handwerksgerechte Fügung, die aber immer auch von seiner unverkennbaren Handschrift geprägt war. Diese Handschrift erschien manchen dominant.

In den letzten Jahren wurde es stiller um ihn. Wenige Jahre nach seiner Emeritierung begann ein schleichender Krankheitsprozess, der ihn viel Kraft kostete. Mit der ihm eigenen Zähigkeit kämpfte er gegen seine Krankheit an. Wer ihn kannte, sah das zunehmende Schwinden der Kräfte. Zum Schluss hat er sich zurückgezogen und ist - von vielen unbemerkt - ganz leise gegangen.

Gerold Reker, Vizepräsident der Architektenkammer Rheinland-Pfalz

 

Archivbeitrag vom 19. April 2009