10. April 2017

Mit Hand und Fuß

Vizepräsidentin Edda Kurz plädiert in der Mai Ausgabe 2017 des Deutschen Architektenblattes für Augenmaß bei der kommunalen Vergabe von Bau- und Planungsleistungen.

Modulbauten können dank ihrer unkomplizierten Bauweise, kurzer Bauzeit und flexibler Anwendungsmöglichkeiten einen entscheidenden Beitrag zum wachsenden Bedarf nach Kitas, Schulen und Wohnheimen in Deutschland leisten, so wirbt ein Hersteller von Fertigteilmodulen für seine Produkte - und trifft damit offenbar den Nerv der Zeit, zumindest vordergründig. Während das individuelle Bauen in der Öffentlichkeit häufig mit Qualitätsmängeln, Kosten- und Terminüberschreitungen assoziiert wird, scheint sich hier in Zeiten knapper Kasse und drängender Termine eine verführerische Verheißung für politische Entscheider aufzutun - Lösungen für all die anstehenden kommunalen Bauaufgaben wie Kindergärten, Schulen, Sporthallen und Wohnheime können mit scheinbar minimiertem Risiko von der Stange gekauft, aufgestellt und bezogen werden!

Baukultur für Jahrzehnte

Soll aber tatsächlich die Lebenswelt bald nur noch aus der Addition von Kästchen mit Mittelflur bestehen? Architekturqualität entsteht nicht durch funktionale Standardbeschreibungen und wartungsfreundliche Oberflächen.

Sicherlich ist es aufwändiger, individuelle Lösungen für die jeweiligen Bedürfnisse der Nutzer zu finden, für die Vorgaben des Ortes, die aus Orientierung zu den Himmelsrichtungen, aus Einfügung in die Umgebung und aus Erschließung und Topografie bestehen, und nicht zuletzt damit Lebensräume statt Raumzellen schaffen. Aber dieser Aufwand - die Planungsleistung eben - muss in Relation zur Lebensdauer eines Bauwerkes gesetzt werden. Der Stellenwert einer guten Planung muss auch seine Anerkennung darin finden, dass der entsprechende Zeitansatz im Bauprozess hierfür eingeräumt wird. Er zahlt sich hinterher über Jahrzehnte wieder aus.

Mit Hand und Fuß statt aus einer Hand

Wenn das Bauwerk "aus einer Hand" gerühmt wird, dann scheint es vordergründig einfacher, ein Gebäude als ein Stück im Gesamten zu erwerben, nur einen Vertragspartner für alle Gewerke und für die Planung als Ansprechpartner zu haben und vermeintlich damit einen klaren Durchgriff im Haftungsfall. Tatsächlich aber setzen sich Bauwerke aus vielen individuellen Einzelleistungen zusammen. Die bedarfsgerechte Planung mit einer handwerklichen Umsetzung ist ein Zusammenspiel von Fachleuten aus vielen Gebieten, die ein gemeinsames Werk schaffen. Dies betrifft nicht nur die beteiligten Planer aller Fachrichtungen mit Spezialwissen auf ihren Gebieten, die gemeinsam durch den Dialog und Austausch eine optimierte Lösung erarbeiten, sondern ebenso die Umsetzung, die vom handwerklichen Können und Vermögen der unterschiedlichen Gewerke bestimmt wird. So können Ergebnisse optimiert werden, da jeder sein Know-how einbringt und gemeinsam eine Lösung erarbeitet wird.

Dabei ist der Architekt der unabhängige Sachwalter des Bauherrn, der die Beteiligten koordiniert und kontrolliert. Es erscheint schwer nachvollziehbar, dass ein Bauherr auf diesen Treuhänder verzichtet. Vergleichbar der demokratischen Gewaltenteilung stellt auch die Trennung von Planen und Bauen ein grundlegendes Regulativ dar. Wie sonst will man sicherstellen, dass die geforderte Qualität auch in allen Teilen umgesetzt wird?

Mittelstandfreundliche Auftraggeber

Die bauliche Qualität des Ergebnisses ist der eine Aspekt - der Prozess und seine Beteiligten ein weiterer, ebenso wichtiger Punkt: Die erklärte Absicht der Landesregierung, die mittelständische Wirtschaftskraft zu stärken hat dabei sicher nicht Containerhersteller und Fertighausfabrikanten im Fokus.

Nur durch individuelle Planung und gewerkeweise Vergaben werden auch die Partner eingebunden, die die Wirtschaftskraft einer Region darstellen, die mittelständischen Handwerksbetriebe und die Architektur- und Planungsbüros in Rheinland-Pfalz.

        

Archivbeitrag vom 25. September 2019