11. Januar 2023

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Joachim Rind
Joachim Rind
Foto: Kirsten Bucher, Frankfurt

Alles nur Krise? Ein Blick ins Jahr 2023

Wir Architekten sind Planende und stehen damit immer mit einem Bein in der Zukunft oder besser: wir schauen mit gezieltem Blick in die Zukunft. Wir entwickeln Antworten und Zukunftsbilder mit zeichneri­schen Visionen auf die Fragen, die sich uns stellen und die sich aus dem Jetzt und Hier ergeben.

 Wenn es uns gelingt, eine Prozesskultur zu entwickeln, in der wir die Menschen einbin­den und dabei das Gleichgewicht unseres Planeten ebenso im Blick haben, bin ich si­cher, dass uns vor dem Blick ins Jahr nicht ban­ge sein muss.

Das können wir nur aus der Erkenntnis der Ver­gangenheit, aber reicht diese schon aus, um aus Krisen tatsächlich neue Chancen zu entwickeln?

Wir befinden uns im Jahr 3 im Umgang mit dem Corona-Virus, dessen Schrecken sich nun langsam verliert und wir lernen mit dem Virus und nicht gegen das Virus zu leben. Die Verun­sicherung im alltäglichen Umgang hat uns je­doch im Handumdrehen Videokonferenzen be­schert. Trotz unseres bisweilen etwas ver­klemmten Umgangs mit IT-Systemen und unseren hohen Ansprüchen an den Daten­schutz gehören Homeoffice und Homeschoo­ling mittlerweile zur Alltagskultur.

Wir befinden uns im Jahr 2 der Ahrtal-Flut­katastrophe, die uns bei allem Leid zeigte, zu welchen unglaublichen solidarischen Hilfeleis­tungen wir fähig sind und welchen Einsatz Men­schen zu leisten im Stande sind. Darüber hinaus zeigt die Katastrophe aber auch, dass unsere behördlichen Strukturen weniger auf Katastro­phen, sondern auf bürokratische Verwaltung eingestellt sind. Die eigentliche Erkenntnis aber ist der sichtbare Klimawandel vor unserer eige­nen Haustür. Und hieraus ergeben sich Hand­lungsfelder, die es zu beschleunigen gilt.

Wir befinden uns im Jahr 1 des verbreche­rischen Angriffskriegs Russlands in der Ukrai­ne. Auch hier zeigt sich eine Hilfsbereitschaft in der Aufnahme von Kriegsflüchtenden, die vorbildlich ist. Und nebenbei wird deutlich, dass allein Wandel durch Handel doch nicht funktioniert ohne eigene wirtschaftliche und militärische Stärke als Faustpfand. Erkenntnis für die Zukunft ist die beschleunigte Unabhän­gigkeit von fossilen Energieträgern hin zu er­neuerbaren Energien.

Erkenntnisse sind die Voraussetzung für neue Handlungsgrundsätze im Großen wie im Kleinen. Wir haben einen enorm großen Umbau unserer Energiesysteme, unserer Mo­bilität und unserer Baukultur vor der Brust. Bei allen neuen Zielvereinbarungen dürfen wir das wie nicht aus dem Blick verlieren, denn wir müssen die Menschen bei dem Pro­zess mitnehmen.

Beim Bauen – vor allem beim Schaffen neuen Wohnraums – ist die klare Maxime, dass der Umbau und die Sanierung des Be­stands ein wesentlicher Schlüssel zum er­folgreichen Wandel ist und der darüber hi­naus ein mindestens ebenso anspruchsvol­ler schöpferischer Prozess wie das Projektieren neuer Häuser und ganzer Quar­tiere ist.

Wenn es uns gelingt, eine Prozesskultur zu entwickeln, in der wir die Menschen mit ihren Bedürfnissen einbinden und dabei das Gleichgewicht unseres Planeten ebenso im Blick haben, bin ich sicher, dass uns vor dem Blick ins Jahr nicht bange sein muss.