20. Mai 2014

Hambacher Architekturgespräche

Hambacher Architekturgespräche Foto: Kai Mehn

Die Vergangenheit wächst unaufhörlich nach, trotzdem sind Denkmäler eine endliche kulturelle Ressource. Welche Aufgaben den Architekten und Denkmalpflegern bei ihrer Rettung dabei zukommen, war Thema der ersten Hambacher Architekturgespräche. Prof. Volker Staab stellte klar: „Tun oder Nichtstun bedeutet beides Zerstörung“.

Rund 200 Gäste waren nach Hambach gekommen, um über die Zukunft des baukulturellen Erbes und das baukulturelle Erbe der Zukunft zu diskutieren. „Wir wollen an der Nahtstelle von zeitgenössischer Architektur und Denkmalpflege Theorie und Praxis im Gespräch zusammenführen“, so Kammerpräsident Gerold Reker in seinem Eingangsstatement. „Auf der Grundlage unterschiedlicher, auch kontroverser Standpunkte und Perspektiven sollen die unterschiedlichen Aspekte baukultureller Verantwortung diskutiert werden.“    

Zur ersten Veranstaltung waren als Diskutanten die Kunstwissenschaftlerin und Denkmalexpertin Ass. Prof. Dr. Sigrid Brandt aus Salzburg, Generalsekretärin von ICOMOS, Prof. Dr. Michael Petzet aus Krailling bei München, Generalkonservator a.D. und Ehrenpräsident von ICOMOS International, Architekt Prof. Volker Staab aus Berlin sowie Thomas Metz, Generaldirektor der GDKE Rheinland-Pfalz, eingeladen. Das Gespräch, an dem auch Kammerpräsident Gerold Reker teilnahm, moderierte Dr. Arnold Bartetzky aus Leipzig. „Das Bauen im Bestand galt einst als Nische der Gegenwartsarchitektur“, so Bartetzky, „heute ist es unumstritten eine ihrer zentralen Aufgaben. Die sorgfältige Auseinandersetzung mit dem Kontext rückt damit zunehmend in den Mittelpunkt des Planungsprozesses. Dazu gehört ganz besonders der Umgang mit Baudenkmalen. Die Suche nach guten Lösungen - von der Restaurierung bis zum Weiterbauen am Denkmal durch behutsame Transformation oder respektvolle Ergänzung - ist eine gemeinsame Aufgabe von Architekten und Denkmalpflegern, oftmals aber zugleich ein Konfliktfeld.“

Schutz und Zugänglichkeit...

...sind die in der Landesverfassung formulierten Ziele der Denkmalpflege. Den hier angelegten Widerspruch zu versöhnen, darin sah Thomas Metz eine zentrale Aufgabe der Generaldirektion Kulturelles Erbe.

Sigrid Brandt, die ihr Impulsreferat unter den Titel „Komplement oder Antithese - von der Rettung des Alten durch das Neue“ stellte, skizzierte eine erfolgreiche Strategie so: „Altes durch Neues zu retten, gelingt immer dann, wenn sich beide Professionen - Architekten und Denkmalpfleger - im gemeinsamen Dialog auf das Bestehende einlassen und der Frage ‚Was soll werden?‘ die notwendige Frage ‚Was ist?‘ voranstellen. Im Moment des Fortschreibens der Baugeschichte sollte nicht immer die Dominanz des Zeitgenössischen, sondern auch die visuelle Integrität eines Baus oder eines Ensembles angestrebt werden.“

Das genaue Prüfen der aus dem einzelnen Monument erwachsenden Anforderungen, stellt auch Volker Staab an den Beginn seiner Entwürfe: „Bei Planungen im baulichen Bestand verlangt jedes Projekt nach einer spezifischen Antwort. Die Suche nach den wesentlichen Eigenarten, nach den erhaltenswerten Eigenschaften bestimmt unsere Arbeit und damit auch die Art des baulichen Eingriffs.“ In Hambach stellte Staab mit seinen Arbeiten am Dresdner Albertinum, an der Neuen Galerie in Kassel, am baden-württembergischen Landtag und am Hochhaus C10 auf dem Gelände der TU Darmstadt die Bandbreite möglicher Eingriffe vom konservierenden bis zum interpretierenden Weiterbauen vor. Für das Darmstädter Hochhaus erhielt er 2013 den Deutschen Fassadenpreis.

„Wir können mit Staab gut leben...“

...beschied Prof. Petzet auf die Frage, wie er zu den Arbeiten Staabs aus denkmalpflegerischer Sicht stehe, ließ allerdings gleich darauf folgen, dass er „im Konservieren, Restaurieren, Renovieren - unter Umständen auch Rekonstruieren, den Königsweg sehe. Unabhängig vom Verhältnis von Denkmälern und jeweils ‚moderner‘ Architektur, sei es in der Denkmalpflege eigentlich schon immer um das Interesse gegangen, Erinnerung zu bewahren und damit im unaufhaltsamen Wandel wenigstens eine gewisse Kontinuität zu sichern. 

Der Veranstaltungsort, das Hambacher Schloss bei Neustadt an der Weinstraße, war keineswegs zufällig gewählt, daran erinnerte auch Thomas Metz. Zu seiner Generaldirektion kulturelles Erbe gehören die Landesdenkmalpflege, die Landesarchäologie, die Landesmuseen in Trier, Mainz und Koblenz sowie zahlreiche Baudenkmäler in rheinland-pfälzischem Landesbesitz von den Kaiserthermen in Trier über die Festung Ehrenbreitstein bis zur Burg Trifels bei Annweiler.

Für die Diskussion des Abends ist das Hambacher Schloss, das von der Stiftung Hambacher Schloss getragen wird, selbst beredtes Beispiel für das streckenweise verminte Terrain: Die auf das 11. Jahrhundert zurückgehende Burganlage wurde durch das Hambacher Fest von 1832 zur Wiege der Demokratie und der nationalen Einheit in Deutschland. Auf Sanierungen in den 1980er Jahren folgten 2005/06 die Instandsetzung des großen Saales, die Neugestaltung der Ausstellungsflächen und die Gestaltung eines barrierefreien Zugangs durch Max Dudler. Diese Maßnahme wurde von einem teils hart geführten Diskus begleitet. In einem zweiten Bauabschnitt wurde ein Café und Restaurant ergänzt. 2012 wurde das Hambacher Schloss mit dem „DAM-Preis für Architektur in Deutschland“ ausgezeichnet.  

  

Archivbeitrag vom 20. Mai 2014