15. Dezember 2020

Visionen müssen her!

Porträt Uwe Knauth
Foto: Heike Rost, Mainz

Vorstandsmitglied Uwe Knauth zu den Auswirkungen der Coronapandemie auf die Wohn-, Lebens- und Arbeitsverhältnisse

Corona beschleunigt den Prozess der Digitalisierung. Dieser Einfluss wird auch nach der Pandemie spürbar sein, so jedenfalls Meinungsforscher zu einer der wenigen positiven Begleiterscheinungen der Pandemie.

Homeoffice wird in voller Breite als neue Arbeitsform erkannt und hält Einzug in unsere angestammten Wohnverhältnisse. Eine Herausforderung gerade in den Städten, wo attraktiver und bezahlbarer Wohnraum knapp geworden ist.

Der nach Corona verbleibende höhere Anteil an Homeoffice-Leistungen wird unsere Einstellung zu den bisherigen Wohn- und gar Lebensverhältnissen ändern. Unabhängig von der Haushaltsgröße wird für Wohnen und Homeoffice mehr Platz benötigt werden. Ohne bisherige Bestrebungen zur Suffizienz aufzugeben, wird die neue Lebensform mittelfristig zu Umorientierungen führen, die auf dem Wohnungsmarkt spürbar werden.

Städte werden sich mit neuen Herausforderungen konfrontiert sehen. Nicht nur auf dem Wohnungsmarkt, der in der aktuellen Entwicklung überwiegend vom Angebot hochpreisiger Kleinwohnungen dominiert wird.

Forscher erwarten einen Rückgang an fest eingerichteten Büroflächen und ein Schwinden der Verkaufsflächen in den Innenstadtlagen. Warenhäuser verlieren zunehmend Kunden, Leerstände und fehlendes gastronomisches Angebot führen zu einem Rückgang an Tagesbesuchern in den Städten.

Mit der Folgeerscheinung des schwindenden Angebots wird das quirlige Stadtleben zurückgehen und bedauerlicherweise auch ein wichtiges Angebot für Begegnung und Kommunikation zurückgedrängt. Der Internethandel wird unaufhaltsam sein Angebot
ausweiten, ohne auf die Entwicklung in den Städten Rücksicht zu nehmen. Zentren werden weiter an Attraktivität verlieren.

Dennoch hinterlässt die Krise, mal positiv unterstellt, Chancen und Ressourcen für eine neue Entwicklung. Beim Lockdown zeigte sich die besondere Bedeutung der wohnortnahen Außenräume.

Nach der Krise: Chancen für die neue Entwicklung unserer Städte und Gemeinden.

Wenn die Nachverdichtung in den Innenstädten auf die Entwicklung bestehender Objekte ausgerichtet wird – schon alleine um eine qualifizierte Entwicklung der freien Außenflächen zu entfalten – kann mit einem neuen Freiraumangebot die Anziehungskraft der Städte wieder gesteigert werden.

Städte sind Orte der Begegnung. Leerstände lassen sich als neu zurückgewonnene Freiräume nutzen für kulturelle, gastronomische und freizeitorientierte Angebote. Die Anziehungskraft lässt sich mit einem breit angelegten und internetunabhängigen Fachhandel weiter steigern, mit individuellen Profilen als Grundlage für Identität und Attraktivität der Zentren.

Eins hat die Krise auch gezeigt: Für das Leben auf dem Land eröffnet die Digitalisierung neue Dimensionen. Mit der Entdeckung des Homeoffices wird das Arbeiten und Leben in naturnaher Umgebung erstrebenswert. Preiswerter Wohnraum, für Infrastruktur ein breites Angebot an wandelbaren Raumressourcen – und ganz nebenbei reelle Chancen für die Reaktivierung vieler Gemeindezentren, zum Beispiel als Co-Working-Spaces.

Es gilt das Motto wie letztes Jahr: Visionen für die Zukunft!