23. Oktober 2014

Genug ist doch genug

Mehr … durch Weniger, oder alles wie gewohnt? Dieser Frage ging ein Symposium der Architektenkammer am 16. Oktober nach. Trotz immer stärkerer Dämmung und immer effizienterer Haustechnik wächst der Engergiebedarf unserer Gebäude stetig. Zeit für ein Umdenken, Zeit für eine Suffizienzdebatte. Diese wurde mit dem Symposium angestoßen.

Mehr … durch Weniger, oder alles wie gewohnt? Dieser Frage ging ein Symposium der Architektenkammer am 16. Oktober nach. Trotz immer stärkerer Dämmung und immer effizienterer Haustechnik wächst der Engergiebedarf unserer Gebäude stetig. Zeit für ein Umdenken, Zeit für eine Suffizienzdebatte. Diese wurde mit dem Symposium angestoßen.

Mit effizienten Technologien und dem Einsatz regenerativer Energien allein, ließen sich die nötigen CO2-Einsparungen nicht erreichen, so Gerold Reker, Präsident der Architektenkammer Rheinland-Pfalz, zum Auftakt. Die meisten Bewertungs- und Anreizsysteme zum Energiesparen, stellte Reker fest, abstrahieren heute vom Menschen und seinem persönlichen Verhalten. „Einen nutzerunabhängigen Weg zum Energiesparen gibt es nicht“, war er sich sicher.

Die stellvertretende Ministerpräsidentin und Wirtschaftsministerin Eveline Lemke schlug als neuen Bewertungsmaßstab einen Regionalen Wohlfahrtsindex, RWI, als Weiterentwicklung des alten Bruttoinlandsproduktes, BIP, vor, um nicht monetäre Faktoren in die Erfolgsmessung einzubeziehen.
„Ça suffit!“, rief die gelernte Politologin Dr. phil. Uta von Winterfeld vom Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt, Energie dem Publikum zu. Mit viel provokantem Humor warb sie für ein Umdenken, verwahrte sich aber vehement gegen restriktive Ansätze. Einer ihrer Kernsätze lautete: „Suffizienz kann nicht aufgeherrscht werden“. Ein anderer, dass man seitens der Politik suffizientes Leben ermöglichen und dazu ermutigen müsse. „Ich will nicht alle naselang einen neuen Computer haben wollen müssen“ - noch ein Kernsatz, der den Büroalltag vieler beschreibt.
Der Ingenieur Dr. Lars-Arvid Brischke vom ifeu, Institut für Energie- und Umweltforschung, sah das genauso. Anhand der mathematischen Gleichung des Wirkungsgrades als Verhältnis von Nutzen zu Aufwand leitete er das Zusammenspiel von Effizienz, Konsistenz und Suffizienz her und zeigte, dass der tatsächliche Aufwand nur dann wirkungsvoll reduziert werden kann, wenn der angebotene Nutzen hinterfragt wird. Deutlich machte er das Problem suffizienten Handelns anhand des ifeu-eigenen Kühlschrankes, der nominell effizient ist, aber viel zu groß. Die Institutsmitarbeiter dürfen ihn weder ausbauen noch verkaufen. Sein Fazit: Suffizientes Handeln ist nicht nur eine Erkenntnis, sondern vielfach auch schlicht ein Problem fehlender Alternativen.

„Wir benötigen eine Doppelstrategie“, so Eveline Lemke in der anschließenden Diskussion. „Einerseits müssen wir Effizienz weiter stärken, auf der anderen Seite nach Mitteln und Wegen suchen, wie wir Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen insgesamt senken können. (…) Mit anderen Worten: Wir müssen verstärkt Anstrengungen unternehmen, technologische Innovationen mit sozialen Innovation zu verzahnen.“

An realisierten Bauten zeigten die anschließenden Redner, wie Suffizienz konkret aussehen kann. Den beeindruckend konsequenten Ansatz der Stadt Zürich erläuterte die Architektin Annette Aumann vom Züricher Hochbauamt. Auf dem Weg zur in der Schweiz weitgehend einvernehmlich als Ziel formulierten „2.000 Watt-Gesellschaft“, in der jeder Bürger bis zum Jahr 2100 nicht mehr Energie brauchen soll, als die 2.000 Watt, die derzeit jedem Erdenbürger durchschnittlich zur Verfügung stehen, dazu hat Zürich sich als Kommune selbst verpflichtet. Analytisch sorgfältig und stetig wird dieses Politikziel verfolgt. Zunächst mit der Bewertung der kommunalen Bausubstanz an Schulen und Wohnsiedlungen. Anhand unterschiedlicher Handlungsalternativen und Nutzungsoptionen wurde ein Konzept über den gesamten Bestand hinweg erarbeitet, mit dem in der Summe optimale Ergebnisse erreicht werden können, ohne beispielsweise im Einzelfall von vielen denkmalgeschützten Schulen wichtige kulturelle Aspekte opfern zu müssen.

Das Büro BKK-3 hat in Wien das Projekt „Junges Wohnen am Nordbahnhof“ realisiert, bei dem es um zielgruppengerechtes Bauen und kostengünstiges Wohnen ging. Büroinhaber Franz Sumnitsch erläuterte, wie unkonventionelle Wege zur Grundrissoptimierung gefunden wurden. Intelligente, teils sogar luxuriöse Freiflächen und Gemeinschaftseinrichtungen kompensieren hierbei kleine, dadurch für viele ärmere Menschen bezahlbare Wohnungen, deren Raumfolgen praktisch, aber alles andere als langweilig sind.

Dass Suffizienz im Kern planerische Kompetenz voraussetzt, also ein Architektenthema par excellence ist, machte Dr. Elena Wiezorek, Hauptgeschäftsführerin der Kammer, in ihrem Fazit klar.

Volker Angres, Leiter der ZDF-Umweltredaktion und Moderator der Sendung „planet e“, moderierte das Symposium, das erneut in Kooperation mit dem Wirtschaftsministerium und dem Bauforum Rheinland-Pfalz durchgeführt wurde.