23. Februar 2023

Suffizienz: Doch mehr als persönlicher Verzicht?

Jutta Stammwitz-Becker
© privat

Architektin Jutta Stammwitz-Becker, die die AG "Suffizienz" leitet, nähert sich dem sperrigen Begriff.

Der Begriff „Suffizienz“ kommt vom lateinischen „sufficere“ und wird häufig übersetzt mit ausreichen, genügen. Zusammen mit Effizienz und Konsistenz bildet Suffizienz die Bausteine einer nachhaltigen Entwicklung. Dabei steht Suffizienz für einen möglichst geringen Einsatz von natürlichen Ressourcen, insbesondere von Energie und Material aufgrund eines gegenüber dem Status quo verringerten Bedarfs.

Suffizienz-Ansätze ergeben sich in den unterschiedlichsten Lebens- und Wirtschaftsbereichen. Letztlich ist Suffizienz eine Frage der Haltung. Es gilt, die jeweiligen Bedarfe und Ansprüche mit Blick auf einen maßvollen Umgang mit Ressourcen kritisch zu überprüfen und nach einer von Überfluss geprägten Phase weiterzuentwickeln. In diesem Sinne einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz zu leisten, stellt ohne Zweifel eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe dar, die weit über den Einflussbereich der planenden Berufe hinausgeht. Was kann „Suffizienz“ nun im Arbeitsalltag von uns Architektinnen und Architekten bedeuten? Welche Ausprägungen sind möglich? Welche konkreten Ansätze gibt es? Die AG „Suffizienz“ der X. Vertreterversammlung der Architektenkammer Rheinland-Pfalz befasst sich mit dem Thema „Suffizienz“ als Ansatz für nachhaltiges und klimaschonendes Bauen. Ziel ist es, Potentiale in den Fokus zu nehmen und einer breiten Fachöffentlichkeit, Kammermitgliedern und sonstigen Planungsbeteiligten zugänglich zu machen. Denn vielfach ist das Thema (noch) missverstanden als unbequem, freiheitsbeschränkend und schlechterdings als notgedrungener Verzicht. Dabei kann unser Berufsstand durch Berücksichtigung von Suffizienz-Ansätzen beim Planen und Bauen einen wesentlichen Beitrag zur Schonung der Umwelt, zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz leisten. Und die fangen bekanntlich schon im Kleinen an...

Die AG möchte mit ihrer Arbeit Missverständnisse ausräumen, über Suffizienz-Strategien informieren und anhand guter Praxisbeispiele zur Umsetzung von Suffizienz-Ansätzen motivieren. Doch was bedeutet der Begriff „Suffizienz“ beim Planen und Bauen nun genau? Diese Frage wirft eine Reihe weiterer Fragen auf: Wie wenig Bauen ist gerade noch genug? Welcher Technisierungsgrad reicht aus? Wer kann welchen Beitrag zu mehr Suffizienz leisten?

Suffizienz ist für mich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, zu der die Architektenschaft einen wirksamen Anteil beisteuern kann.

Architektinnen und Architekten haben – nicht zuletzt aufgrund ihres generalistischen Ansatzes – den Überblick über den gesamten Planungs- und Bauprozess und können hier Einfluss nehmen. Sie sind oftmals schon an der Formulierung der jeweiligen Bauaufgabe beteiligt, fungieren als Berater und Unterstützer des Bauherrn und können so zu einem sehr frühen Zeitpunkt für den Suffizienz-Gedanken werben. Der Phase Null kommt daher zentrale Bedeutung zu, wenn es um die Entwicklung einer individuellen Suffizienz-Strategie für ein bestimmtes Bauvorhaben geht.

Mit der Wahl des Standortes und der Definition der Bauaufgabe werden die entsprechenden Weichen gestellt. Baubedarf, Flächenverbrauch und Raumprogramm sind kritisch zu hinterfragen.

Völlig offen ist bislang noch die Frage, wie sich das Architekten-Honorar entkoppelt von der gerade nicht verbauten Substanz und Technik künftig berechnen lässt.

Gleichwohl ist eine sorgfältige, gezielte und konsequent kritische Bedarfsplanung unerlässlich. Ein angemessener und geringstmöglicher Baumassenansatz ist ebenso anzustreben wie ein geringer Materialverbrauch. Dies wiederum erfordert eine entsprechend hohe Flächeneffizienz, flexible Grundrisslösungen und Mehrfachnutzungen. Auch die Festlegung des energetischen Standards, des Energiekonzepts und des Technisierungsgrads muss frühestmöglich im Planungsprozess erfolgen. Beim Verhältnis von Architektur zu Gebäudetechnik gilt es zu beachten, dass mit planerischen und baulichen Möglichkeiten der Endenergiebedarf für Strom und Wärme sichtlich begrenzt werden kann. Gebäudegeometrie und Kompaktheit der Kubatur spielen hier ebenso wie Ausrichtung, Fensterflächenanteil, Dachform und -überstand des Gebäudes eine bedeutsame Rolle.

Wichtig ist, nicht nur den Planungs- und Herstellungsprozess zu berücksichtigen, sondern eine lebenszyklusorientierte Betrachtung. Diese bezieht in allen Phasen von der Herstellung über den Betrieb bis zur Verwertung bzw. zum Rückbau den Verbrauch der materiellen, energetischen und finanziellen Ressourcen und am besten auch die Bilanzierung des CO2-Verbrauchs mit ein. Schließlich sollte durch entsprechendes Monitoring dafür Sorge getragen werden, dass Einsparungen an der einen Stelle an anderer Stelle nicht wieder aufgehoben werden. Das freilich liegt nicht mehr im Einflussbereich der Architektinnen und Architekten.