15. Oktober 2010

Öffentliches Vergaberecht in der Praxis

Am 14. September 2010 fand der 12. Vergabetag Rheinland-Pfalz im Schloss Waldthausen in Budenheim bei Mainz statt. Gerold Reker, Vizepräsident der Architektenkammer, begrüßte rund 150 Interessierte, die sich über aktuelle Entwicklungen, praktische Erfahrungen und Rechtsfragen im öffentlichen Vergaberecht informieren wollten.

Im Leitreferat befasste sich der Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau in Rheinland-Pfalz, Alexander Schweitzer, mit den bisherigen Auswirkungen der Reform des Deutschen Vergaberechts. Dabei betonte er die Notwendigkeit transparenter, wettbewerbsoffener und abgestimmter Verfahrensregeln in den Vergabe- und Vertragsordnungen, um einen gleichberechtigten Marktzugang aller geeigneten Unternehmen und eine wirtschaftliche Beschaffung zu gewährleisten. Besonders erwähnt wurden die in den europäischen Vergabekoordinierungsrichtlinien enthaltenen Regelungen zur Berücksichtigung von auftragsbezogenen, sozialen und umweltbezogenen Aspekten während der Auftragsausführung und deren Umsetzung in § 97 Abs. 4 GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen).

Norbert Portz, Beigeordneter des Deutschen Städte- und Gemeindebundes und bereits zum wiederholten Male Referent beim Vergabetag Rheinland-Pfalz, berichtete über die Auswirkungen des neuen Vergaberechts auf die Kommunen. Nachdem noch einmal auf die Zweiteilung des Vergaberechts in Vergaben oberhalb bzw. unterhalb des EU-Schwellenwertes (§ 2 VgV) eingegangen wurde, legte Portz die Kernpunkte des EU-Rechtsschutzes nach § 107 ff GWB dar. Thema waren auch die Neuregelungen der Verdingungsordnungen VOB/A, VOL/A und VOF, wobei er insbesondere auf die erhöhten Wertgrenzen für die beschränkte und freihändige Vergabe, die erweiterte Möglichkeit von Eigenerklärungen der Bieter, die Neuregelungen zur Sicherheitsleistung sowie die Rechtsfolgen beim Fehlen einzelner unwesentlicher Positionen oder Erklärungen/Nachweisen bei Vergaben nach VOB/A einging.

Der Vortrag von Gerald Webeler, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht in Koblenz, beschäftigte sich mit dem zulässigen Umgang mit Leitfabrikaten bei Bauvergaben. Hierbei wurden anhand konkreter Fallbeispiele die zulässigen produktbezogenen Ausschreibungen von unzulässigen Ausschreibungen abgegrenzt. Anhand der neuen Rechtsprechung (zum Beispiel Beschluss des OLG Düsseldorf vom 17. Februar 2010) wurden die Problematiken des § 7 Abs. 8 VOB/A behandelt.

Wie bereits in den vergangenen Jahren war auch dieses Mal Herbert Summa, Richter am Vergabesenat des Oberlandesgerichts Koblenz, unter den Rednern. Er berichtete über kommunale Immobiliengeschäfte im Fokus der nationalen und EuGH-Rechtssprechung, insbesondere über die Abkehr von der Ahlhorn-Rechtsprechung des OLG Düsseldorf. Bedingt wurde diese Entwicklung durch das jüngst ergangene Urteil des EuGH, welches eine neue Definition des öffentlichen Bauauftrags mit sich brachte.

Mit den Sozial- und Umweltstandards im öffentlichen Beschaffungswesen setzte sich Privatdozent Dr. Thorsten Siegel vom Deutschen Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer auseinander. Er behandelte den Begriff der Sozial- und Umweltstandards, die rechtlichen Rahmenbedingungen und möglichen Einlasstore dieser Standards sowie deren Auswirkung auf die Bietereignung, Zuschlagserteilung und Auftragsausführung.

Vor der anschließenden Podiumsdiskussion berichtete Wolfgang van Bellen, Leiter des Tiefbauamts der Stadtverwaltung Trier, in seinem Vortrag über die praktischen Erfahrungen der Stadtverwaltung Trier bei der Berücksichtigung von Sozial- und Umweltstandards in Ausschreibungen, in denen Natursteine gefordert werden. Der Stadt Trier ging es darum, sicherzustellen, dass keine mittels ausbeuterischer Kinderarbeit abgebauten oder verarbeiteten Natursteine beschafft werden und versuchte dies durch Anforderung von geprüften Zertifikaten der Hersteller auszuschließen. 

Die hohe Besucherzahl bestätigte den Veranstaltern auch in diesem Jahr wieder den stetigen Informationsbedarf und den Erfolg der Veranstaltung.

Der Vergabetag Rheinland-Pfalz wird seit 1999 jährlich von der rheinland-pfälzischen Ländervertretungen der Architektenkammer, der Ingenieurkammer, dem Landkreistag, dem Städtetag sowie dem Gemeinde- und Städtebund gemeinsam veranstaltet. Moderiert wurde die diesjährige Veranstaltung am Vormittag von Dr. Wolfgang Neutz, dem Hauptgeschäftsführer des Städtetags Rheinland-Pfalz, und am Nachmittag von Professor Dr. Gunnar Schwarting, dem Geschäftsführer des Städtetages.