17. April 2024

Mehr nachhaltig bauen

Klaus-Dieter Aichele
Klaus-Dieter Aichele
Foto: Kirsten Bucher, Frankfurt

... klingt einfach, ist es aber ganz und gar nicht.

Klimawandel und Biodiversitätskrise haben die lange ignorierten Themen der Umweltbewegung der siebziger und achtziger Jahre in das öffentliche Bewusstsein gerückt. Allerdings bleiben uns voraussichtlich nicht wieder 40 Jahre, um die Erkenntnisse nun auch in die bauliche Praxis umzusetzen. Diese nicht neuen Erkenntnisse sind: in Kreisläufen denken, einfach(er) bauen, umwelt- und ressourcenschonend bauen, eben nachhaltig bauen. Es wird aber nicht reichen, nur neue Begriffe wie reuse, rezyklieren, resilient und suffizient zu kreieren, auch nicht die Erkenntnis der Immobilienwirtschaft, dass sich mit einem „grünen“ Label die Projekte besser verkaufen lassen. Seit Einführung der Nachhaltigkeitszertifikate wird damit gut Geld verdient, grundlegende Veränderungen in der Baubranche wurden jedoch nicht angestoßen.

Nachhaltiges Bauen bedeutet schon immer Bauen unter Beachtung naturräumlicher Bedingungen und Schonung der natürlichen Ressourcen. Nachhaltig bauen bedeutet, regionale Baukultur zu kennen und umzusetzen – mit Materialien der Region, mit kurzen (Liefer-)Wegen, mit geringem CO2-Abdruck.

Nachhaltig bauen heißt, den Blick über das Objekt, das Gebäude hinaus zu weiten, den privaten und öffentlichen Freiraum, das Quartier, die gesamte Stadt und Region mit in den Blick zu nehmen, die Aufgaben ganzheitlich und interdisziplinär anzugehen. Die Umnutzung und Neuprogrammierung des Bestandes muss die Regel werden, Abriss und Neubau die Ausnahme, soll die Senkung des C02-Verbrauchs im Bausektor Erfolg haben. Dabei ist eine Balance zwischen Dichte und Freiraum zu halten. Die Städte müssen grüner und resilienter werden, vorhandene Parks und Grünzüge erhalten bleiben. Flächen und Räume müssen multifunktional und nutzungsoffen gedacht und resilient geplant werden. Dies erfordert einen Umbau der Verkehrsräume zu multifunktionalen Stadträumen, damit verbunden eine radikale Verkehrswende und eine mehrfache Innenentwicklung unserer Städte und Gemeinden: mehr Dichte, mehr Grün, mehr Freiraum, mehr Nutzungsvielfalt und -flexibilität, eine bessere Erreichbarkeit und eine konsequente Ausrichtung auf eine erneuerbare Energieversorgung in kommunaler Verantwortung.

Diese umfassende Transformation verläuft nicht geräuschlos und ohne „Schmerzen“. Sie gelingt nur partizipativ, sozial gerecht und interdisziplinär auf kommunaler Ebene. Die Architektenschaft mit ihren Disziplinen und Fachrichtungen steht bereit. Wissen, Methoden und Modelle sind vorhanden. Auftraggebende wie Verantwortliche in den Kommunen müssen sich ihrer Verantwortung bewusst werden und den Mut zu manchmal auch unpopulären Entscheidungen haben.

Nachhaltig planen und bauen erfordert Mut, Kreativität, Innovation und Durchsetzungswille.

Es erfordert eine Abkehr von vielfach normierten und tradierten Gewohnheiten.

Die aktuelle Ausstellung „Lebenswerte Stadt“ im Zentrum Baukultur in Mainz zeigt an 28 Beispielen aus Dänemark, wie es gehen kann. Ein Besuch der Ausstellung lohnt.