17. September 2020

Kammeraufgaben

Prof. Dr. Winfried Kluth
© Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Prof. Dr. Winfried Kluth von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg über die Natur der Kammer als Selbstverwaltungsorganisation

Organisationen sind kein Selbstzweck, sondern durch ihre dienende Funktion geprägt und gerechtfertigt. Bei staatlichen Organisationen ist dabei eine zentrale Frage, ob diese dem „Herrscher“ oder den Mitgliedern zu dienen bestimmt sind. Die im frühen 19. Jahrhundert in der deutschen Verwaltungstradition etablierte kommunale Selbstverwaltung hat erstmalig die Interessen der Einwohner in den Vordergrund des Organisationszwecks gestellt. Das Kammerrecht hat sich daran orientiert und diese Gedanken für die Wirtschafts- und Berufskammern durchdekliniert. Daraus folgt, dass die Förderung der Interessen der Mitglieder die – geschriebene oder ungeschriebene – Hauptaufgabe aller Kammern und damit auch der Architektenkammern ist.

Die freien Berufe verstehen sich als professionelle Sachwalter von Interessen, die regelmäßig über das eigene Gewinnstreben und die subjektiven Interessen der Auftraggeber hinausgehen. Rechtspflege, Bevölkerungsgesundheit und eben auch (nachhaltige) Baukultur, Landschaftspflege und städtebauliche Entwicklung prägen die gemeinwohlbezogene Dimension der Berufs- und Kammeraufgaben. Diese werden in der Selbstverwaltungsorganisation Architektenkammer eigenverantwortlich konkretisiert und verfolgt.

Das Ehrenamt hat die Chance, aber auch Pflicht, den Selbstverwaltungsgedanken mit Leben zu füllen.

Bei der Interessenförderung geht es nicht darum, jedes tatsächliche Interesse der Mitglieder zu unterstützen. Das Interesse ist vielmehr durch Berufsrecht und Berufsethos inhaltlich genauer ausgerichtet. In der heutigen Zeit hat das zur Folge, dass die Architektinnen und Architekten und ihre Kammer in besonderer Weise den Zielen des Umweltschutzes und des nachhaltigen Bauens und Wohnens verpflichtet sein sollten. Dazu tragen sie durch eigenes Verhalten sowie die Beratung anderer staatlicher Stellen bei.

Die Orientierung an Berufsrecht und Berufsethos schließt auch die Berufsaufsicht ein. Schon die ersten Kammergesetze haben die Wahrung des Berufsethos als Aufgabe der Kammern hervorgehoben. Das IHK-Gesetz macht dies in § 1 Absatz 1 dadurch deutlich, das dort von der „Wahrung von Sitte und Anstand des ehrbaren Kaufmanns“ als Kammeraufgabe nennt. Der Erlass der Berufsordnung, die Berufsaufsicht und die Schlichtung von Streitigkeiten dienen in diesem Sinne den gleichen Zielen.

Wie die Kammern ihre Aufgaben erfüllen, ist in erheblichem Umfang in die Eigenverantwortung der Kammerorgane gestellt, wobei der Mitgliederversammlung als Hauptorgan die größte Gestaltungsverantwortung zufällt. Das in diesem Organ wirkende Ehrenamt hat die Chance, aber auch die Pflicht, dadurch den Selbstverwaltungsgedanken mit Leben zu erfüllen. Die hauptamtliche Geschäftsstelle ist berufen, die Mitglieder des Berufsstandes dabei zu unterstützen.

Das gleiche gilt im Übrigen auch für die Staatsaufsicht, der nach heutigem Verständnis auch die Aufgabe zukommt, die Umsetzung der gesetzgeberischen Grundentscheidung für die Selbstverwaltung zu fördern und zu sichern.