20. Juli 2020

HOAI: Ende der Debatte?

Präsident Gerold Reker begrüßt zum Hambacher Architekturgespräch 2019
Foto: Kai Mehn, Neustadt

Kammerpräsident Gerold Reker zum jahrzehntelangen Kampf um angemessene Honorare

Ums Geld ging es oft in sieben Jahrzehnten berufspolitischer Arbeit – meist um das der Mitglieder in Form von Honoraren. Diese hatten anfangs nur einen Deckel und wurden durch die GOA (Gebührenordnung für Architekten) geregelt. Am 1. Januar 1977 kam die HOAI. Seither wurden die alten Höchst- durch neue Mindestsätze ergänzt: den GOA-Deckel ersetzte der HOAI-Korridor für die angemessene Bezahlung von Architekten- und Ingenieurleistungen. Die HOAI ist die neue Rechtsverordnung, die am 1. Januar 1977 in Kraft trat. Die Parteien eines Architektenvertrages unterlagen normativem Preisrecht. Doch die Diskussion um Honorare war damit lange nicht zu Ende.

Warum? Auch diese Argumente begleiten uns seit Jahrzehnten. Erstmals formuliert wurden sie in der gesetzlichen Grundlage für die HOAI. Das sogenannte Artikelgesetz „zur Begrenzung des Mietanstiegs“, verknüpft bezahlbares Wohnen mit den Honoraren für Planungsleistungen. Eine Kombination, die einen ganz eigenen Charme entwickelt und ein anderes Dauerthema anspricht. Bezogen auf die Honorare wollte der Gesetzgeber also nicht den planenden Berufen gefallen, sondern Preisfaktoren, die sich auf Mieten auswirken können, begrenzen. Doch im gleichen Gesetz ist eben auch schon das Bewusstsein, dass es um Angemessenheit gehen muss, verankert.

„In der Honorarordnung sind Mindest- und Höchstsätze festzusetzen. Dabei ist den berechtigten Interessen der Architekten und der zur Zahlung der Honorare Verpflichteten Rechnung zu tragen. Die Honorarsätze sind an der Art und dem Umfang der Aufgabe sowie an der Leistung des Architekten auszurichten.“
(Artikel 10 § 2 Abs. 2 Gesetz zur Verbesserung des Mietrechts und zur Begrenzung des Mietanstieges sowie zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen vom 4. November 1971)

Noch mehr als fünf Jahre verstrichen, bis die erwähnte HOAI wahr wurde. Mit ihr gab es erstmals Mindestsätze für unsere Arbeit und die galten und gelten als vereinbart, wenn bei Erteilung des Auftrages nicht etwas Anderes schriftlich vereinbart wurde. Hierin und in vielen anderen Details liegt seither viel Arbeit für die Rechtsberatung der Kammer begründet. Die Fragen zur korrekten Anwendung der HOAI, zu dem, was abgerechnet werden muss, was abgerechnet werden darf und wo Spielräume bestehen, gehören seither zum kleinen Kammer-Einmaleins.

Berufspolitisch haben uns eher die Novellen der HOAI mit der Anpassung der Tafelwerte – zuletzt 2013 – beschäftigt. Es ging in zähen Verhandlungen darum, die Honorare auskömmlich zu halten, um vom allgemeinen Preisanstieg nicht abgekoppelt und damit schleichend immer schlechter entlohnt zu werden.

Die entscheidende Diskussion begann Anfang der 1990er Jahre. Die Angriffe auf ein verbindliches Preisrecht kamen von interessierter Seite aus dem Inland, vor allem aber aus den Reihen der europäischen Wettbewerbshüter. Der lange berufspolitische Kampf – in weiten Teilen im Schulterschluss von Länderkammern, BAK und Bundeswirtschaftsministerium geführt – kulminierte vorerst im Urteil des Europäischen Gerichtshofes. Am 4. Juli 2019 hat der EuGH festgestellt, dass Deutschland durch das Festhalten an verbindlichen Mindest(- und Höchst-)sätzen gegen europäisches Recht verstoßen hat. Damit muss nun die HOAI zwingend an das europäische Recht angepasst werden.

Wie so oft, kommt es auf die Details an. Denn der EuGH hat in 88 von 99 Gliederungsziffern seiner Entscheidung auch festgestellt, dass die Bundesrepublik Deutschland schlüssig die Auffassung der Kommission widerlegt hat. Diese hatte nämlich vorgetragen, der Preis habe keinen Einfluss auf die Qualität der Leistung.

Ausgehend davon, sind nun alle positiven Feststellungen zum Erhalt der HOAI zu nutzen, um die HOAI im Wesenskern zu erhalten. Bei den entsprechenden Gesprächen mit dem federführenden Bundeswirtschaftsministerium wurde im Mai 2020 auch die Änderung des Artikelgesetzes besprochen. Es soll sich vom Bezug zum bezahlbaren Wohnen und zur Miete emanzipieren, um künftig als „Gesetz zur Regelung von Architekten- und Ingenieurleistungen“ zu firmieren.

Einige Änderungen zeichnen sich bereits ab. So wird die Verbindlichkeit des Mindestsatzes in Folge der EuGH-Entscheidung sicher aus dem Artikelgesetz gestrichen. Dennoch werden wichtige Regelungsermächtigungen für die HOAI erwartet. Es geht um Grundlagen und Maßstäbe zur Honorarberechnung, eine Honorartafel als Preisorientierung für Grundleistungen sowie um Regelungen für den Fall, dass keine Honorarvereinbarung getroffen wurde. Sobald die Ermächtigungsgrundlage im Artikelgesetz vorliegt, so verspricht das Bundeswirtschaftsministerium, soll die novellierte HOAI binnen eines Monates vorliegen.

Eins bleibt also seit sieben Jahrzehnten zentral: Alle Seiten – die Büros, ihre Bauherrschaft und die Baukultur brauchen verlässliche, qualitätssichernde, auskömmliche Honorare. Für die Architektenschaft könnte es auf eine Honorarempfehlung herauslaufen, wie sie in anderen Vergütungsordnungen, beispielsweise bei der Steuerberatergebührenordnung, bereits vorhanden ist.

Ob die Diskussion um ihre Honorierung für die Architektenschaft dann endlich abgeschlossen sein wird?