19. September 2022

Politisches Sommerfest: Nachhaltigkeit im Fokus

Politisches Sommerfest 2022
Rund 400 Gäste aus Politik, Verwaltung, (Bau-) Wirtschaft und Kultur waren der Einladung zum politischen Sommerfest im Zentrum Baukultur gefolgt.
Foto: Kristina Schäfer, Mainz

Nach zweijähriger Pause stand das politische Sommerfest wieder ganz im Zeichen des Informationsaustausches zu aktuellen Herausforderungen im Baugeschehen.

Gut 400 Gäste aus Politik und Verwaltung, Kammern und Interessensverbänden, aus der Architekten- und Bauwirtschaft und von den Hochschulen waren am 7. September 2022 im Zentrum Baukultur in Mainz dabei.

„Bauen hat einen unglaublich großen Hebel beim Klimaschutz“, stellte Kammerpräsident Joachim Rind in seiner Begrüßungsrede heraus. Schließlich gingen aufs Baukonto mehr als die Hälfte des Abfalls sowie rund 40 Prozent der Treibhausgasemissionen. Sein Fazit: „Wir müssen anders bauen – am besten weniger Neues, suffizienter und in echten Stoffkreisläufen. Dazu brauchen wir den öffentlichen Bauherren als Vorreiter und vor allem eine neue Baugesetzgebung, die Umbau und Bestandserhalt privilegiert.“ Eine kluge Sanierung müsse immer Vorrang vor Neubau haben, auch um den steigenden Flächenverbrauch zu reduzieren. Wie verheerend die Folgen des Klimawandels sein können, habe nicht zuletzt die Flutkatastrophe im Ahrtal vergangenen Jahres gezeigt. Aus Perspektive des Berufsstandes sei wichtig: „Überzogene Standards müssen fallen. Unser Perfektionismus verhindert oft Verbesserungen im Bestand oder führt gleich zu Abriss und Neubau, weil Sanierung als unwirtschaftlich gilt. Das ist nicht mehr zeitgemäß.“ Sein Credo lautete daher: Es einfach halten! Weniger Vorschriften, weniger Politik. Kurz: weniger Bürokratie.

Zugleich plädierte er für ganzheitliche Planungs- und Baumaßnahmen, die auch die Gestaltung der öffentlichen Freiräume zwischen Nachverdichten und bewusstem Freilassen in den Blick nimmt. Auch die Produkt- und Material-Forschung sei jetzt gefragt: neue Materialien müssten entwickelt werden, Baulösungen neu gedacht werden. In den derzeitigen Debatten werde der Begriff Nachhaltigkeit nur allzu oft inflationär verwendet. „Nachhaltigkeit ist eine innere Haltung“, so Rind.

Wir müssen anders bauen - weniger Neues, suffizienter und in echten Stoffkreisläufen.
Joachim Rind

Auch die rheinland-pfälzische Finanz- und Bauministerin Doris Ahnen nahm in ihrer Rede zu aktuellen Bauthemen Stellung und hob die gute Zusammenarbeit mit der Architektenkammer hervor: „Der staatliche Hochbau nimmt eine Vorbildfunktion beim klimaeffizienten Bauen ein. Nachhaltigkeit und Klimaneutralität sind daher wesentliche Ziele bei der Sanierung im Bestand oder beim Neubau. Wohnraum nimmt ebenfalls einen wichtigen Platz im Bausektor ein. Aus diesem Grund stärken wir unsere soziale Wohnraumförderung in Rheinland-Pfalz durch ein neues Sonderprogramm zum klimagerechten sozialen Wohnungsbau. Der Umbau unserer Gebäudeinfrastruktur hin zu mehr Klimaneutralität fordert alle Beteiligten des Baubereichs, besonders auch die Mitglieder der Architektenkammer. Interdisziplinäre gute Zusammenarbeit ist hier essenziell, um die anstehenden Herausforderungen zu bewältigen.“ Zugleich lobte die Ministerin das Engagement des Berufsstandes beim Wiederaufbau des Ahrtals. „Was hier gelungen ist, innerhalb kürzester Zeit, verdient Respekt.“ Der Weg sei längst noch nicht zu Ende, das Tal müsse auch baukulturell wieder zusammenwachsen. „Wir bleiben in einem konstruktiven Dialog!“, so Ahnen abschließend.

Zuvor hatte Landtagspräsident Hendrik Hering darauf verwiesen, dass die Bauwirtschaft einen großen Beitrag zum Klimaschutz leisten könne. Dabei bedeute klimagerechtes Planen und Bauen in Ballungszentren etwas anderes als im ländlichen Raum. Kluge Dorfkonzepte kommen ohne Neubau auf der grünen Wiese aus und verhindern zugleich leerstehende Ortskerne. „Wir brauchen mehr solcher Projekte“, so Hering. Das politische Sommerfest sei ein wichtiger Termin, um dringende politische Fragen in den Blick zu nehmen. Dazu gehöre auch, die gestiegenen Energiepreise und weitere Folgen des Kriegs in der Ukraine zu thematisieren. „In der augenblicklichen Situation ist der Staat, sind Bund und Länder verpflichtet, den Bürgerinnen und Bürgern beizustehen“, so Hering. Zugleich betonte er auch die gesamtgesellschaftliche Verantwortung der Architektinnen und Architekten.

Der Abend klang bei guten Gesprächen in angenehmer Atmosphäre – der Brückenturm war wieder ganz in warmes Licht getaucht – aus. Für Musik sorgte das Jazzduo Caro Trischler und Franziska Aller.