14. Mai 2021

„Amazon ist keine Stadt“

Vorstandsmitglied Thomas Dang
Vorstandsmitglied Thomas Dang
Foto: Heike Rost, Mainz

Stadtraum als Begegnungsraum

Wieder habe ich, in Zeiten der Pandemie mit der Auflage „Kontaktsperre“, einen Spaziergang durch die Innenstadt im Nahbereich meiner Wohnung gemacht. Jetzt, nach über einem Jahr, ist es uns vertraut anderen Menschen aus dem Weg zu gehen. Wir haben uns daran gewöhnt, vor geschlossenen Geschäften zu stehen und darüber nachzudenken, wie der im Schaufenster ausgestellte Schuh in den heimischen Schrank kommt. Smartphone – Internet – Amazon. Und der Händler?

„Amazon ist keine Stadt!“ steht auf dem Schaufenster eines leerstehenden Geschäftshauses. Untertitel: „Der Onlinehandel wächst. Er wirkt sich nicht nur auf den Einzelhandel aus, sondern auch auf das Erscheinungsbild unserer Städte.“ Was schon 2017 Thema für eine Ausstellung war, könnte in wenigen Wochen, wenn der Lockdown endet, ein Massenphänomen sein. Corona hat alles beschleunigt. Die Oberzentren verlieren möglicherweise, was viele Kleinstädte lange schon nicht mehr haben: Ein lebendiges Zentrum mit vielen Gründen „in die Stadt zu gehen“.

Für diejenigen, die es hart trifft, klingt es bitter, dennoch: Jede Veränderung ergibt Chancen. Wo die alten Modelle ausgedient haben, muss es weitergehen. Handel – Mobilität – Klimawandel. Die Liste mit den Fragen ist lang. Wir sollten, wir müssen die Chancen erkennen als Mitglieder der Kammer, gleich welcher Fachrichtung, und natürlich als Bürgerschaft.

Jede Veränderung ergibt Chancen

Überall gefragt sind (Einkaufs-)Erlebnisse, Pop-up-Stores sind in aller Munde. Welche Rolle spielt die Architektur, spielen die Gebäude einer Stadt? Der Handel braucht qualitätsvolle öffentliche Räume, hat eine IHK-Umfrage ergeben. Ja sicher, aber doch nicht nur der Handel. Wir alle suchen Begegnungsräume und womöglich neue Wege durch Städte, denen der traditionelle Handel wegbricht. Deshalb soll es die Kultur richten: Bibliotheken, Museen und Theater machen sich auf, „dritte Orte“ zu werden. Kunsträume, Museen sind dann wie selbstverständlich Teil unserer Fußwege durch die Stadt. Das Erdgeschoss der Kunsthalle Mannheim ist schon jetzt nicht nur Foyer, sondern Treffpunkt.

Die Neue Leipziger Charta fordert „die Anpassungsfähigkeit der Städte an sich verändernde Rahmenbedingungen soll gestärkt werden, um so sicherzustellen, dass aktuelle und zukünftige Herausforderungen bewältigt und Chancen des Wandels genutzt werden können. Dazu zählen die Folgen des Klimawandels ebenso wie Pandemien.“ Dafür zeichnet die Charta drei Dimensionen der Europäischen Stadt: „Die gerechte Stadt, die grüne Stadt, die produktive Stadt“.

Unter diesen neuen Bedingungen, gibt es gute Chancen, die Stadt wieder zu entwickeln und zukunftsfähig zu machen. Für uns Architektinnen und Architekten bleibt viel zu tun. Wir sind aufgefordert, unseren Beitrag zu leisten. Gehen wir alle mal spazieren. Die Stadt der Zukunft lebt von Ideen und davon, dass wir Chancen erkennen und nutzen.