16. Juli 2012

Nur wer Alternativen hat, hat auch die Wahl!

Edda Kurz
Vizepräsidentin Edda Kurz
Foto: Heike Rost, Mainz

Vorstandsmitglied Edda Kurz plädiert in der Augustausgabe 2012 des Deutschen Architektenblattes für die Auslobung von Wettbewerben bei der Ansiedlung von innerstädtischen Einkaufszentren

Die Eröffnungsausstellung im neuen Zentrum Baukultur greift ein sehr aktuelles Thema auf: die Analyse innerstädtischer Einkaufszentren als Element der Stadtentwicklung. Gezeigt werden - neben anderen - sieben Beispiele aus rheinland-pfälzischen Städten. Ein Teil davon ist gerade fertig gestellt, andere sind noch in der Vorplanung oder in der Vorbereitung. Besonders aktuell ist das Thema in Mainz, wo derzeit die öffentliche Diskussion über die Ansiedlung eines Einkaufszentrums des Projektentwicklers ECE in der Ludwigsstraße in die Endphase geht.

Alle in der Ausstellung gezeigten Beispielen zeigen sehr deutlich: Die Einkaufszentren besetzen Orte im Stadtgefüge, die von großer Bedeutung für innerstädtische Strukturen sind, sie bilden Anziehungs- und Kristallisationspunkte, funktionieren als Knotenpunkte und Leitelemente im Infrastrukturnetz und sie prägen als Baukörper die anliegenden Straßen und Plätze. Dabei sind Einkaufszentren mehr als einzelne Gebäude, bilden sie doch oftmals ganze Quartiere in der Stadt, ihre Volumen bestimmen und verändern Maßstäblichkeit und Proportion der Baustruktur, Stadtplätze und Freiräume werden von den Bauten der Zentren neu definiert. Entsprechend bedeutsam sind die Wechselwirkungen zwischen Stadt und Einkaufszentrum: das Zentrum funktioniert nur mit der Stadt, es wird zum Teil der Stadt und beeinflusst die Stadtentwicklung entscheidend, das belegen zahlreiche Analysen, Gutachten und Kommentare.

Demokratie und Stadtgestaltung

Dies verdeutlicht, warum die Bauaufgabe der Einkaufszentren - obwohl von einem Projektentwickler oder Investor als privatem Bauherrn betrieben - als öffentliche Aufgabe funktioniert und wahrgenommen wird. Die Entwicklung und Gestaltung von Einkaufszentren darf nicht aus dem öffentlichen Raum herausgelöst einem privaten Auftraggeber alleine überlassen werden. Stattdessen muss es das Ziel sein, Stadtzentrum und Stadtgestalt aus einer demokratischen Gesellschaft heraus, in einem demokratischen Verfahren zu entwickeln! Aufgrund der Bedeutung sollte die beste städtebauliche, funktionale und gestalterische Lösung gefunden und realisiert werden. Ein Planungswettbewerb bietet hierfür die besten Voraussetzungen - nur wer Alternativen hat, hat auch die Wahl!

Die Stadt Mainz hat sich im Entwurf des Abschlussberichts zu den Ludwigsstraßenforen, wie der Beteiligungsprozess in Mainz heißt, zum Architektenwettbewerb bekannt - ein Schritt, den andere in der Ausstellung gezeigte Beispiele nicht gegangen sind, und der nicht hoch genug zu schätzen ist. Nun gilt es, die Verfahrensstruktur mit Bedacht zu wählen. So wäre es zu kurz gegriffen, nur das Gebäude selbst in einem Planungswettbewerb zur Diskussion zu stellen, zunächst muss die Einbindung in das städtebauliche Umfeld, in Bezug auf die Proportion der Bauvolumen als „Körnigkeit“ der Stadt, auf die Wegebeziehungen und Verkehrsführung, auf Platz- und Freiraumbildung, in einem über das Baugrundstück hinausgehenden Betrachtungsrahmen entwickelt werden. Die Abgrenzung dieses „Umgriffs“ sinnvoll festzulegen, ist eine wichtige Gundlagenentscheidung als Ausgangspunkt für die Formulierung der Wettbewerbsaufgabe.

Der Gebäudeentwurf geht aus einer solchen ganzheitlichen Betrachtung dann als sinnfällige Weiterentwicklung im detailierteren Maßstab hervor. Dabei ist ein Gebäude als dreidimensionaler Körper mit einem Innen und Außen zu erarbeiten, ein Entwurf kann nicht ausschließlich die Fassaden zum Gegenstand haben. Ein zweiphasiger Wettbewerb würde diesen Prozess der Durcharbeitung, vom großen zum kleineren Maßstab, ideal abbilden.

Auslobung bedeutet Verantwortung

Die Qualität und Umsetzbarkeit der im Wettbewerbsverfahren erlangten Entwürfe hängt unabdingbar mit der Aufgabenformulierung zusammen. Nur eine Auslobung, an der auch der Bauherr des Einkaufszentrums inhaltlich mitarbeitet, kann die funktionalen Bedürfnisse umfassend darstellen. Sämtliche Randbedingungen für den Entwurf sollten sorgfältig ermittelt und aufbereitet werden. Dies hat den zusätzlichen Nutzen, dass alle Entscheidungen der Ausloberschaft, Stadt und Investor, festgelegt und strukturiert sind, wodurch spätere langwierige Umplanungsprozesse vermieden werden. Die Festlegung eines solchen gemeinsamen Verfahrens, mit entsprechender Verbindlichkeit für alle Partner, ist eine weitere entscheidende Grundlage für den Erfolg des Wettbewerbs.

Kompetente Partner im Prozess: Architekten, Stadt- und Landschaftsplaner

Schließlich noch ein Wort zu den Teilnehmern: Häufig wird die Frage gestellt, nach welchen Kriterien die Teilnehmer auszuwählen sind, wie die Einschränkungen zu treffen seien, um den Teilnehmerkreis klein zu halten. - Wozu denn Schranken aufbauen? Gerade in einem zweiphasigen Verfahren bietet sich die beste Möglichkeit, den Zugang einem breiten Teilnehmerkreis zu öffnen und durch die qualitative Auswahl, die ein Preisgericht aus diesen Arbeiten trifft, den Kreis in der zweiten Phase zu verkleinern, so dass ein überschaubares Spektrum von 20 bis 30 Arbeiten gebildet wird. Auch hier sollte man sich nicht selbst in der Zahl der Alternativen zu weit einschränken.

Die teilnehmenden Architekten, Innenarchitekten, Stadt- und Landschaftsplaner bereichern die Diskussion und den Entscheidungsprozess durch ihren Beitrag und ihre Leistung. Dieser Beitrag ist ein Geschenk an die Gesellschaft als Beitrag zur Baukultur. Im Gegenzug erwarten sie ein faires und anonymes Wettbewerbsverfahren nach den Regeln der RPW.

Für den Bau des Shoppingzentrums in Mainz wünsche ich uns allen viele Alternativen und einen spannenden Architekturdiskurs - mit dem einen Ziel: die beste Lösung zu finden!

  

Archivbeitrag vom 16. Juli 2012