18. September 2023

Vom Machbaren, Zumutbaren und Wirksamen

Politisches Sommerfest
Rund 300 Gäste aus Politik, Verwaltung, (Bau-) Wirtschaft und Kultur waren der Einladung zum politischen Sommerfest im Zentrum Baukultur gefolgt
Foto: Kristina Schäfer, Mainz

Politisches Sommerfest

Das politische Sommerfest rückte die Herausforderungen und Chancen einer Bauwende zur Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt. Rund 300 Gäste aus Politik und Verwaltung, Kammern und Interessensverbänden, aus der Architekten- und Bauwirtschaft und von den Hochschulen waren am 6. September 2023 im Zentrum Baukultur in Mainz dabei.

„Die großen Themen der Vergangenheit Nachhaltigkeit und Nachwuchs“, so Kammerpräsident Joachim Rind in seiner Begrüßung, „sind immer noch die Themen der Gegenwart und werden uns auch künftig begleiten.“ Bei aller Emotionen um das Ringen nach Lösungen gehe es immer um das Machbare, Zumutbare und Wirksame.

Nachhaltige Baukultur brauche eine hervorragende Ausbildung, ein hohes Maß an beruflicher Erfahrung und stetige Fortbildung. Schließlich müsse Nachhaltigkeit am Bau stets die Gesamtheit des Ressourcenverbrauches, den ein Gebäude von der Errichtung über die Nutzung bis hin zum Abriss verursacht, berücksichtigen. Umbauten und Sanierungen bestehender Gebäude haben so gesehen oft die Nase vorn. Nachhaltigkeit sei ein komplexeres Thema als bloße Energieeffizienz. Neben Suffizienz und Angemessenheit als Grundprinzipien stünden die Bau- und Mobilitätswende sowie der Umbau unserer Städte zu klimaadaptiven Orten mit hoher Aufenthaltsqualität im Fokus. Denn: „Schönheit ist nachhaltig!“, so der Kammerpräsident. Immer schneller, immer höher, immer größer, immer mehr habe ausgedient. Oder um es mit den Worten des Bundes Deutscher Architekten(BDA) zu sagen: „Die Party ist vorbei. Für eine Architektur der Bescheidenheit.“

Als einen Baustein zur Nachhaltigkeit schlug Rind den Gebäudetyp ‚e‘ vor, „der überzogene technische Regelungen aus der Zeit des Immer-Mehr durch einfacheres und genügsames Bauen ersetzt“. Es gelte Sanierung und Bauen im Bestand den Vorrang vor Neubau zu geben. Dabei verwies er auf die von der BAK-Arbeitsgruppe erarbeitete Muster-Umbauordnung, schließlich sei die bestehende Bauordnung für den Neubau konzipiert.

Der Gebäudetyp e ersetzt überzogene technische Regelungen durch einfacheres, genügsames Bauen.
Joachim Rind

Gerade die Konzentration auf mehr Weiternutzung, Sanierung und das Prinzip der Kreislaufwirtschaft brauche neben dem Engagement und den Investitionen in Forschung und Entwicklung kluge und hervorragend ausgebildete Köpfe. Deutlich kritisierte Rind in diesem Zusammenhang Pläne, durch eine Öffnung der Landesbauordnung weniger qualifizierte Entwurfsverfasserinnen und -verfasser für kleine Bauvorhaben zuzulassen. Dies sei weder im Sinne der Nachhaltigkeit, noch aus Verbraucherschutzsicht sinnvoll oder zeitgemäß und werde auch nicht zu mehr Wohnraum führen.

Im Verlauf ihres Beitrages ging Finanz- und Bauministerin Doris Ahnen zwar auf die Novelle der Landesbauordnung ein, wollte aber vor dem Hintergrund ähnlicher Anpassungen in den übrigen Bundesländern nicht auf die Öffnung verzichten. Allerdings sagte sie eine Evaluation der neuen Regelungen nach wenigen Jahren fest zu. Im Grundsatzteil ihres Beitrages nahm sie Stellung zu aktuellen Bauthemen und hob die gute Zusammenarbeit mit der Architektenkammer hervor. „Nachhaltiges Bauen ist ein wesentlicher Beitrag zur globalen Aufgabe, dem Klimawandel zu begegnen,“ so Ahnen. Das Land gehe mit gutem Beispiel voran und prüfe bei all seinen Neubau- und Sanierungsmaßnahmen die Klimaneutralität über den kompletten Lebenszyklus des Gebäudes sowie die Ressourceneffizienz. In den Programmen zur sozialen Wohnraumförderung habe man ebenfalls klimagerechtes Bauen und Sanieren verstärkt in den Blick genommen. Zusatzdarlehen sollen Anreize für mehr Nachhaltigkeit schaffen. Mit Projekten wie dem Realisierungswettbewerb „WEGBEREITER 2040! – klimagerechtes und bezahlbares Wohnen” wolle das Land wichtige Impulse setzen. Darüber hinaus dankte Ahnen der Architektenschaft für ihr ungebrochenes Engagement beim Wiederaufbau im Ahrtal.

Zuvor hatte Landtagsvizepräsident Matthias Lammert in seinem Grußwort die besondere Baustellenatmosphäre unter „Arnes Brücke“ hervorgehoben. Die Generalsanierung des Mainzer Rathauses zeige, worum es im Kern gehe, nämlich um Umbau und Erhalt. Ein Umdenken hin zur Kreislaufwirtschaft sei nötig. „Wir leben in einer Zeit des Wandels!“, so Lammert. Die demografische Entwicklung, steigende Energie- und Baukosten, die Schaffung von Wohnraum bei gleichzeitiger Aufwertung von Frei- und Grünflächen – große Herausforderungen, aber auch Chancen. Schließlich schaffe das Bauen von heute die Baukultur von morgen. Mehr denn je bedürfe es neben einer ansprechenden auch einer klimafreundlichen sowie energie- und ressourcenschonenden Architektur. Im Namen des Landtags dankte Lammert der Architektenkammer Rheinland-Pfalz für die professionelle und vielfältige Unterstützung beim Wiederaufbau im von der Flutkatastrophe betroffenen Ahrtal. Sein Credo: Im Gespräch bleiben.

Der Abend klang bei guten Gesprächen in angenehmer Atmosphäre – der Brückenturm war wieder ganz in warmes Licht getaucht – aus. Für Musik sorgte das Jazztrio Jonathan Strieder (Posaune), Simon Werner (Gitarre) und Niklas Schumacher (Kontrabass).