02. Juli 2025

Auf Vielfalt bauen!

Cécile Schortmann
Moderatorin Cécile Schortmann
Foto: Vanessa Evard, Mainz

Das WIA Opening Rheinland-Pfalz von Architektenkammer und Zentrum Baukultur am 17. Juni im Brückenturm in Mainz stand unter der Überschrift „Auf Vielfalt bauen!“.

Und das Motto war Programm. Im Pecha Kucha Format – 20 Bilder á 20 Sekunden – hielten elf Frauen unterschiedlichsten Alters und Backgrounds lebendige Kurzvorträge: Von Juniormitglied Jana Krippleben, die den Vergleich „Kammer und Kurve“ bemühte, um ihre ersten Schritte ins Berufsleben zu skizzieren und sich für berufspolitisches Engagement stark zu machen bis hin zur erfahrenen Bürochefin und Bauleiterin Ina Seddig, die stilecht mit Bauhelm und Weste auftrat. Ihr Tipp: „Mach dein Ding, denn irgendwer findet es sowieso scheiße!“ Auch Vertreterinnen aus Forschung und Lehre kamen zu Wort.

Zuvor hatte Katharina Binz, Ministerin für Familie, Frauen, Kultur und Integration und Schirmherrin von WIA Rheinland-Pfalz in ihrer Begrüßung die Bedeutung von Vielfalt und Chancengleichheit in der Architektur herausgestellt. Der Gender Pay Gap liege in der Architektur mit 27,8 Prozent deutlich über dem branchenübergreifenden Wert von 18 Prozent. Zudem leisteten Frauen im Schnitt 9 Stunden mehr unbezahlte Sorgearbeit pro Woche als Männer – Zeit, die ihnen fürs Berufsleben fehle. Die Folge: geringere Einkommen und Aufstiegschancen. Oftmals stelle sich die Frage „Familie oder Beruf?“ Denn der Job verlange ein Höchstmaß an Flexibilität und Zeiteinsatz. Viele Frauen verschwinden dann aus der Architekturszene. „Wir wachsen mit Helden und Göttern auf, die alle samt männlich sind“ zitierte Binz die bekannte englische Architektin Alison Brooks. Das müsse sich dringend ändern; schließlich präge Architektur Lebenswelten. Ein gesamtgesellschaftliches Umdenken sei nötig.

Auch Vorstandsmitglied und WIA-Patin Alexandra Faßbender, die passend zum Anlass ein T-Shirt mit dem Slogan „WIA ALLE“ trug, stellte in ihrem bildgewaltigen Vortrag die Frage, warum es so schwierig ist, Frauen in der Architekturbranche zu halten. „WIA alle wollen bauen!“, so Faßbender mit einem Wortspiel. Aus eigener Erfahrung riet sie insbesondere Müttern am Ball zu bleiben, nicht auszusteigen und sich stetig fortzubilden.

Im Rahmen ihrer Stiftungsprofessur UN/DOING GENDER am FATUK in Kaiserlautern untersuchte Christiane Fath die Rolle der Frau in der Architektur, den Gap zwischen Ausbildung (55 % Studentinnen im Fachbereich Architektur) und Berufspraxis (10 % leitende Architektinnen) sowie die daraus resultierenden Auswirkungen. Es brauche mehr weibliche Vorbilder – in Lehre und Praxis. Denn: „Man kann nicht sein, was man nicht sieht“, so Fath.

Petra Riegler-Floors, Prof. für Zirkuläres Bauen an der Hochschule Trier, plädierte für eine Bauwende und nannte Strategien für nachhaltiges Bauen: Am besten werde gar nicht neu gebaut, keine weiteren Flächen versiegelt, sondern nachverdichtet. Dabei riet sie zu lösbaren Konstruktionen, sekundären Rohstoffen (urban mining) und nachhaltigen Baustoffen wie Lehm, Holz und Hanf. „Es gibt gute Alternativen zu herkömmlichen Baustoffen“, so Rieger-Floors.

Energieeffizienz und Architektur müssten stets zusammengedacht werden, betonte Architektin und DGNB Auditorin Chantal Eich, die ein interdisziplinäres Team aus vier Frauen leitet und bereits bei der Planung ihres Eigenheims wertvolle Erfahrungen sammeln konnte. Auch Vanessa Neukirch berichtete aus Sicht der Bauherrin und Architektin.

Um Baukulturvermittlung ging es im Beitrag von Kunsthistorikerin Valerie Ucke. Die Initiative DIE BETONISTEN wolle mit außergewöhnlichen Aktionen und multimedialen Kampagnen auf die Qualitäten der Nachkriegsarchitektur in Mainz aufmerksam machen.

Vorstandsmitglied und Stadtplanerin Kristina Oldenburg richtete den Fokus auf partizipative Stadtplanung, Kommunikation und Unternehmensführung; Architektin Andrea Wandel auf die Bedeutung sakraler Bauten als Orte der Erinnerung und Identität.

Darüber hinaus stellte Juniormitglied Jana Eckelt die Ergebnisse ihrer Masterarbeit zur feministischen Stadtbauplanung am Beispiel Landaus vor und kritisierte die patriarchal geprägte Stadtstruktur und Architektur. Der öffentliche Raum müsse als Wohnzimmer für alle fungieren. Es brauche nicht nur Symbolpolitik, sondern Strukturveränderung.

Ein spannender Abend voll weiblicher Perspektiven, Enthusiasmus und Leidenschaft, freute sich Moderatorin Cécile Schortmann, 3sat Kulturzeit.