08. Juni 2017

Baukultur und Tourismus

Porträt Julia Holzemer-Thabor
Julia Holzemer-Thabor
Foto: Heike Rost, Mainz

In der Juni Ausgabe 2017 des Deutschen Architektenblatts spricht Vorstandsmitglied Julia Holzemer-Thabor über die Chancen von Baukultur und Tourismus.

Baukultur und Tourismus ist eines der Themen, mit denen sich der Vorstand in den kommenden fünf Jahren verstärkt beschäftigen möchte. Schon auf den ersten Blick haben Baukultur und Tourismus viele Berührungs-  und Verknüpfungspunkte: Sie verfolgen beide das Ziel, Regionen weiter voran zu bringen und diese für die dort lebenden Menschen  und deren Gäste attraktiver zu gestalten. Beide können sich dabei gegenseitig beflügeln, regionale Baukultur spielt hierbei eine wichtige Rolle.

Regionale Baukultur und Tourismus

Gerade für den ländlichen Raum bietet die regionale Baukultur große Chancen, sich als eigenständige touristische Region zu identifizieren und zu profilieren. Attraktive Orte mit eigenen regionaltypischen Profilen sind reizvolle Ziele für Touristen, sie bieten eigene Identitäten und sind unverwechselbar. Sie erfüllen bei vielen Gästen den Wunsch nach Nähe und Individualität, fernab des Massentourismus. Die Touristen wiederum bringen Umsätze in die Regionen und helfen damit den Gemeinden, sich weiter zu entwickeln. Baukultur macht stolz, das ist ein offenes Geheimnis. So motiviert das Interesse der Touristen an den Regionen natürlich auch die Gastgeber, sich weiter zu profilieren. Eine klassische Win-win-Situation.

Doch um ganze Regionen touristisch attraktiv zu gestalten, sind zunächst umfassende Konzepte erforderlich, die alle Bereiche der Baukultur einschließen. Die Palette reicht von landschaftsplane­rischen und städtebaulichen Konzepten über die technische Infrastruktur und die architektonische Qualität der gebauten Umwelt bis hin zur ansprechenden Innenraumgestaltung der Hotels und Gaststätten.

Netzwerke auf- und ausbauen

Doch wie kann man diese Synergien nutzen? Es müssen gut funktionierende Netzwerke zwischen den Tourismusexperten und den Akteuren aus dem Bereich der Baukultur geknüpft, der bereits begonnene Dialog weiter geführt und vertieft werden. Grundvoraussetzungen für den erfolgreichen Aufbau einer Kommunikationsebene zwischen Tourismusexperten und Planern sind dabei, gegenseitiges Verständnis und Respekt. Was bei Wein und Architektur schon sehr lange hervorragend funktioniert, sollte auch auf das Gastgewerbe übertragbar sein.

Barrierefreier Tourismus

Weitere Aspekte, die auch planerisch  betrachtet werden müssen, sind Inklusion und Barrierefreiheit im Tourismus. Im Hinblick auf eine gleichberechtigte Teilhabe aller am gesellschaftlichen Leben und mit Blick auf die demografische Entwicklung, steigt die Nachfrage nach barrierefreien touristischen Angeboten stetig. Selbstverständlich sollen Menschen mit Behinderung gleichberechtigt an touristischen Angeboten teilhaben können. Auch für ältere Menschen, deren Mobilität zwar eingeschränkt, deren Reisefreudigkeit aber dennoch ungebrochen ist, gilt es, ansprechende Lösungen zu finden. Hierauf werden sich die touristischen Regionen einstellen müssen. Dazu gehört neben den entsprechenden Angeboten in den Hotels und Gaststätten auch die barrierefreie Erreichbarkeit touristischer Attraktionen. Auch hier gibt es noch einiges zu tun…

Zeitgenössische Architektur

Besonders interessant ist die Frage, inwieweit sich zeitgenössische und moderne Bauweisen in  touristisch geprägte Regionen integrieren lassen. Wie kann sich zeitgenössische Architektur einfügen, zeitgemäßen Nutzungsanforderungen und Lebensgewohnheiten gerecht werden und dabei gleichzeitig auf bestehende baukulturelle Gegebenheiten Rücksicht nehmen? Dabei das Regionale, das Authentische in eine Zukunft entwickeln, die mehr leistet, als das Vorgefundene zu kopieren? Es gibt viele gebaute Beispiele, die sich im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne befinden. Die Regionen Vorarlberg und Schwarzwald zeigen es seit Jahren. Durch die  Weiterentwicklung traditioneller Bauweisen und deren gekonnte und sensible Übersetzung in eine zeitgemäße, moderne Architektursprache können Tradition und Moderne verknüpft werden. Dies geschieht unter anderem durch die Wahl  regionaler  und authentischer Baustoffe und Materialien. Es gibt bereits viele Hotels mit hohem architektonischen und gestalterischen Anspruch, die sehr erfolgreich eine qualitätsorientierte Klientel ansprechen.

Hier liegt vielleicht auch eine Chance für diejenigen Betriebe, die sich neu ausrichten und neue Zielgruppen erschließen möchten. Eins ist dabei allerdings sicher: Ohne hohe Ansprüche an gastronomische und architektonische Qualitäten wird es nicht gehen. Genau hier gilt es für uns anzusetzen, Allianzen zu schmieden und Partner zu gewinnen.

                   

Archivbeitrag vom 8. Juni 2017