Rebschule Freytag

Neustadt (2012)

Theodor-Heuss-Straße 78, 67435 Neustadt/Weinstraße

  • Architektin: Dipl.-Ing. (FH) Christiane Jeromin, raum & architektur, Bobenheim-Roxheim. MEHR
  • Mitarbeiter: Dipl.-Ing. (FH) Luigi Pennella und Isabelle Hack BA
  • Bauherren: Marion und Volker Freytag, Rebschule Freytag, Neustadt. MEHR


Holz und Schiefer dominieren den handwerklich soliden Innenausbau der Rebschule Freytag in Neustadt. Die gewählten Materialien für Möbel und Innenausbau knüpfen an die Solidität des vorgefundenen Dachraums an, setzen aber durch die Verdrehung der Achsen spannungsvolle Akzente und ordnen unterschiedlichen Funktionen ihre jeweilige Raumzone zu, ohne den weitläufigen Dachraum zu zerstückeln.
Aus der Jurybewertung

Weder eine Vinothek noch eine Kelterhalle war in Neustadt für die Rebschule Freytag im Ortsteil Lachen-Speyerdorf zu errichten. Aufgabe der Architektin Christiane Jeromin war es, im Dachstuhl über dem Rebenveredelungsbetrieb einen Raum für Information und Schulung der Kunden einzurichten. Unabhängig von festgelegten Messeterminen wollte man auf die Nachfrage der Winzer reagieren zu können. Das über 200 Quadratmeter große Dachgeschoss über der Veredelungshalle bot sich an, hatte jedoch durch die mächtige Dachkonstruktion und einen dominierenden mittigen Leimbinderbalken atmosphärisch wie ästhetisch eine schwere Hypothek.

Im neu zu gestalteten Raum waren unterschiedliche Funktionen unterzubringen: Große und kleine Gruppen sollten gleichermaßen tagen können, wobei für die kleinen Gruppen eine gemütliche Lounge-Atmosphäre gewünscht war, die größeren Gruppen sollten einen geeigneten Schulungs- und Präsentationsraum vorfinden. Darüber hinaus waren Funktionen wie Garderobe ein kleines Lager, eine Bewirtungstheke und ein Thekenbereich unterzubringen. Orientiert am Motto „form follows function“ wurden neue Raumkanten entwickelt, hinter denen sich das Lager für Gläser, Geschirr, die Licht- und die Bühnentechnik sowie eine Garderobe für 100 Personen unterbringen ließen.

Die neuen Raumkanten entwickeln sich entlang einer Achsverschiebung, die von der vormals dominierenden Leimbinderdachkonstruktion ablenkt und neue Blickachsen schafft. Für die Seminarteilnehmer in den Tischreihen verhindert die Verschiebung aus der Axialität ein langweiliges Raumgefühl. Der sitzende Gast erlebt in der Tiefe der Diagonale den Raum, sein Blick wird auf die beiden Highlights, den Thekenbereich und den Lounge-Bereich gelenkt. An der Theke finden Verkostungen und Präsentationen statt. Der schweren, alten Dachkonstruktion setzt ihr beleuchteter Sockel eine schwebende Leichtigkeit entgegen.

Klassische Materialien aus dem Weinbau wie Schiefer und Eichenholz dominieren die Materialwahl. Untergeordnete Funktionsbereiche wie die hinter der Theke angeordnete Küchenzeile treten in nüchternem Weiß optisch hinter den neuen Gestaltungselementen zurück.

„Veredelt wird bei uns die Rebe in sorgfältiger Handarbeit Schritt für Schritt. Die vegetative Vermehrung der Reben sichert gleichmäßiges, qualitativ hochwertiges Pflanzgut. Umgestalten und somit Veredeln wollten wir auch unseren Veranstaltungsraum“.
Marion Freytag


Auf rund 25 Hektar produziert und veredelt die Rebschule Freytag klassische Rebsorten, pilzwiderstandsfähige und  internationale Sorten. Gegründet wurde sie 1953 und wird seit 1986 in zweiter Generation geführt. Für Gewächshäuser und Produktion stehen rund 2.200 Quadratmeter Gebäudefläche zur Verfügung. Die Reben werden direkt vermarktet. Rund 800 Kunden empfängt das Unternehmen pro Jahr.  

1998 hatte die Rebschule ein passendes Gelände für die Aussiedlung des Betriebes erwerben können. Vor dem Hintergrund einer großen Verbundenheit mit der Natur wurde ein modernes, ökonomisches Betriebsgebäude aus natürlichen Baumaterialien, vor allem Holz, errichtet. Schon damals sollte sich das Gebäude harmonisch in die Landschaft einfügen.  

Der Gedanke des natürlichen, aber veredelten Produktes gab auch bei der Ausgestaltung des Dachgeschosses den Ausschlag. Schiefer und Holz - Materialien, die den Kunden der Rebschule in den Weinbergen wieder begegnen, standen im Vordergrund. Als immaterieller Baustoff kam Licht hinzu: Als natürliches Licht durch das große Fenster in der Lounge und in effektvoller Inszenierung des Kunstlichtes im übrigen Raum.  

„Der neu gestaltete Raum gibt uns die Möglichkeit, für die unterschiedlichsten Kundenansprüche das passende Ambiente zu bieten. Vom persönlichen Gespräch bis zu den Rebsortentagen mit Vorträgen und Verkostungen ist alles möglich. Auch bei großen Anlässen bleibt Bewegungsfreiheit. So entsteht eine lebendige Kommunikation“.