Rede zur Verleihung des Architekturpreises Rheinland-Pfalz 2001

von Staatsminister Gernot Mittler

"Bei den heutzutage beinahe inflationär ausgelobten Architekturpreisen werden oft die bereits publizierten größeren Bauvorhaben, häufig von ohnehin renommierten Büros, prämiert. Diese Projekte sind jedoch für viele Architekten wie Märchengestalten: "Schön und unerreichbar." Die kleinen, meist unwichtig erscheinenden Aufgaben bilden aber bei weitem den Schwerpunkt unserer Arbeit. Und diese Projekte formulieren wesentlich bedeutsamer unsere Umwelt als die wenigen "Architektur-Ikonen". Soweit ein Zitat von Preisträger Hans-Jürgen Mertens (Bad Neuenahr-Ahrweiler) aus der Dokumentation zu diesem Architekturpreis, als Antwort auf die Frage, warum er ein bemerkenswert kleines Objekt zu diesem Wettbewerb eingereicht habe.

In dieser Aussage steckt für mich eine wichtige Botschaft, die allerdings nicht nur für die Architektur gilt und ein Phänomen unserer Zeit zum Ausdruck bringt: Die spektakulären, aufwendigen Ereignisse und Events verstellen uns oft den Blick für die einfachen, die wirklich wichtigen und schönen, die leisen und - um einen fast schon überstrapazierten Begriff zu gebrauchen - die nachhaltigen Dinge. Aber genau darum sollten wir uns mehr kümmern.

Wir haben in die Koalitionsvereinbarungen für diese Legislaturperiode die "Einrichtung eines runden Tisches Baukultur" aufgenommen. Es ist unsere Absicht, gemeinsam mit Ihnen, den Architekten, allen berührten, interessierten Institutionen und mit Persönlichkeiten aus unserem Land eine Initiative zur Förderung der Baukultur in Rheinland-Pfalz zu entwickeln. Derzeit werden in einer Arbeitsgruppe des Finanzministeriums mit der Architektenkammer Ideen und Vorschläge zur Gründung und Organisation des Forums Runder Tisch Baukultur erarbeitet.

Auch hier gilt: Es geht nicht vordergründig um spektakuläre Events oder um das Zelebrieren von Architektur-Ikonen. Um nicht falsch verstanden zu werden - und da bin sicher mit Herrn Architekt Mertens einig - es darf, ja es muss auch die Architektur-Ikonen geben. Sie haben ihren Platz und leisten einen wichtigen baukulturellen Beitrag in unserer Gesellschaft. Denn - so hat es die Architektenkammer in ihren "10 Forderungen an eine zukunftsorientierte Bau- und Architekturpolitik in Rheinland-Pfalz im vergangenen Jahr treffend ausgedrückt: "Wie kaum eine andere gesellschaftspolitische Äußerung reflektiert DAS BAUEN die geistige und ökonomische Verfassung einer Gesellschaft." Baukultur ist deshalb mehr als nur Architektur, sie ist Teil unserer regionalen Kultur mit hoher gesellschaftlicher, ökonomischer und ökologischer Relevanz.

Ein gestiegenes Umweltbewusstsein und die Wertschätzung der natürlichen Umgebung haben die Beziehung der Menschen zu ihrer Umwelt insgesamt verändert. Ökonomische und gesellschaftliche Veränderungen, technische Entwicklungen sowie der europäische Binnenmarkt beeinflussen das Bauen ganz erheblich.

Bauen ist auch Strukturpolitik. Der Bausektor hat einen gewichtigen Anteil am Bruttoinlandsprodukt und ist daher für den Arbeitsmarkt und die gesamte Volkswirtschaft von erheblicher Bedeutung. Die Gebäude haben einen wesentlichen Anteil am Volksvermögen. Hohe Qualitätsstandards beim Bauen stärken Beschäftigung und internationale Wettbewerbsfähigkeit. Diesem Aspekt müssen wir gerade in einer baukonjunkturell schwierigen Phase besondere Beachtung schenken.

Die Betonung der ökonomischen Aspekte des Bauens werden jedoch oft als Ursache für schlechte Architektur angeprangert. Ich denke wir machen es uns zu einfach, wenn wir die technische Entwicklung, die Standardisierung und Elementierung beim Bauen für mangelhafte Architekturqualität verantwortlich machen. Entscheidend ist, dass wir diese Entwicklungen richtig nutzen und einsetzen. Dass dies möglich ist, beweist der diesjährige Architekturpreis, der Wohnpark am Betzenberg in Kaiserslautern. Ein gutes Beispiel zu diesem Thema ist auch die Wohnsiedlung "An der alten Reithalle" in Mainz-Gonsenheim, die im Rahmen dieses Wettbewerbs in die engere Wahl kam.

Beim Planen und Bauen müssen neue Lebens- und Arbeitsformen bedacht werden. Neue Technologien bestimmen das Bauen. Die Planung unserer Städte, Dörfer und Gebäude ist komplizierter als früher. Und weil Architektur kein kurzlebiges Konsumgut ist, das man nach Gebrauch einfach wegwerfen kann, brauchen wir qualifizierte Architekten und Planer, die qualitätsbewusst, sorgfältig und dauerhaft planen und bauen. Denn Sie als Baumeister haben - mindestens in gleichem Maße wie die Politiker - Verantwortung gegenüber der Gesellschaft für die bauliche Gestalt unseres Gemeinwesens.

Dieses Gebäude - in dem wir uns heute nicht zum ersten Mal mit Architektur und Baukultur befassen - ist ein sichtbares Zeichen für das worüber wir reden. Das ist das Besondere, das Faszinierende an der Architektur: Eine Idee wird zum gebauten, zum sichtbaren Beispiel und damit für jeden von uns zu einem begreifbaren Erlebnis.

Ich freue mich, dass es viele solcher herausragender Erlebnisse in unserem Land gibt und dass die Architektenkammer nun zum zweiten Mal seit 1998 im Rahmen des Architekturpreises Rheinland-Pfalz vorbildliche Bauwerke auszeichnet.

Ihnen Herr Präsident Franz und allen die an diesem Verfahren mitgewirkt haben danke ich für ihr Engagement zur Förderung der Baukultur in unserem Land. Den Preisträgern darf ich ganz herzlich zu den Preisen und Auszeichnungen gratulieren. Für Sie ist diese Auszeichnung eine ehrenvolle Anerkennung ihrer Leistungen.

Darüber hinaus - und auch das halte ich für wichtig - entsteht ein Anlass über Architektur und Baukultur zu sprechen, bzw. sich damit zu befassen. Und zwar nicht nur hier in Mainz, sondern im ganzen Land. Es freut mich, dass die ausgezeichneten Objekte aus allen Landesteilen kommen: Von der Ahr über die Mosel bis in die Pfalz. Gute Beispiele im regionalen Kontext brauchen wir überall.

Weil Europa zusammenwächst, gewinnt die Bewahrung der regionalen Identität gerade beim Bauen an Bedeutung. Denn Architektur und Baukultur sind Teil unserer gebauten Umwelt in der wir wohnen und leben, die uns prägt und Heimat gibt, an ganz konkreten Orten. So wie die Bauten früherer Generationen sichtbare Zeugnisse unserer Geschichte sind und unsere Dörfer und Städte prägen, werden auch die Bauten unserer Zeit später von uns Zeugnis geben.

In diesem Sinne sollten wir mit unserer Initiative Baukultur gemeinsam versuchen einen Beitrag zu leisten für menschenwürdige, gut gestaltete und wirtschaftliche Bauten und für lebenswerte Dörfer und Städte in unserem Land.