20. Juni 2023

Mehr Wohnraum schaffen – ein Balanceakt

Herbert Hofer
Herbert Hofer
Foto: Kirsten Bucher, Frankfurt

Der Ruf nach mehr Wohnraum schallt immer lauter. Wohnraum soll günstig sein, bezahlbar, flexibel und in einem attraktiven Umfeld liegen.

Ganz abgesehen davon, dass jeder diese Eigenschaften auf seine Art definiert und ihnen unterschiedliche Bedeutung beimisst, stellt sich die Frage, wie sie in der Praxis umgesetzt und eingehalten werden können.

Nachverdichtung, Vorfertigung und Umnutzung leisten einen wertvollen Beitrag zur Lösung der Wohnungsnot.

Unter die Rubrik „kreatives Unterlassen“, die der BDA vor einiger Zeit als provokativen Grundsatz ausgegeben hat, fallen Punkte wie Wohnungstausch, Mehrfachnutzung, gemeinschaftliches Nutzen, Verkleinerung und Aufteilen. Diese können sowohl auf bereits bestehenden Wohnraum, als auch auf Bauland angewendet werden. Es gilt, im vorhandenen Bestand nach Lösungen zu suchen. Wie kann dieser sinnvoll weiter genutzt werden? Beispielsweise indem er neu aufgeteilt oder mehrfach genutzt wird! Das setzt jedoch eine Bereitschaft seitens seiner derzeitigen Nutzerinnen und Nutzer voraus, den Raum mit anderen zu teilen. Daher ist diese Lösung oft nur schwer umzusetzen.

Ein weiterer Lösungsansatz ist die serielle Bauweise. Befürworterinnen und Befürworter sehen darin eine Möglichkeit, die Wohnungsnot innerhalb eines überschaubaren Zeitraums zu lindern. Allerdings ist der Ansatz nicht neu: Bereits in den fünfziger Jahren und bis in die achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts versuchte man, möglichst schnell, möglichst günstigen Wohnraum für die breite Masse herzustellen – mit den Konsequenzen, die wir heute kennen: Es entstanden anonyme Hochhaussiedlungen, die sich bald zu sozialen Brennpunkten wandelten.
Wie kann man die Fehler der Vergangenheit vermeiden?

Nachverdichtung und der kluge Einsatz von Vorfertigung können einen wertvollen Beitrag zur Lösung der Wohnungsnot leisten. Der Erhalt und die Weiternutzung des Bestands tragen zu einem nachhaltigen Umgang mit wertvollen Ressourcen und Energie bei.

Nachhaltigkeit bedeutet dabei aber auch, Orte zu schaffen, in denen sowohl Gemeinschaftsleben als auch Selbstverwirklichung möglich sind. Denn die Schaffung von Wohnraum ist nicht nur eine Frage der Unterbringung von Menschen. Es müssen die Grundlagen dafür gelegt werden, dass ein Wohnumfeld entsteht, in dem sich jeder einzelne entfalten kann und aufgehoben fühlt.

Sonst ist es nur eine Form der Massenunterbringung, deren spätere ökonomische und soziale Kosten, die Einsparungen gegenüber einer wahrhaftig nachhaltigen Lösung bei weitem übersteigen.