Man könnte doch einfach seinen Stift greifen, den Umschlag öffnen, ein paar Kreuzchen machen, den frei frankierten Umschlag verkleben - und ihn abschicken. Aber man quält sich: Man kennt die Kandidaten nicht, man hat sich auch nicht gekümmert. Keine Zeit, keine Lust, und es macht doch eh keinen Sinn. Warum also? Und sowieso: Was bringt es? - Quälendes Zögern, Hinhalten und Verweigern ...
Dabei ist es ganz einfach: Wählen Sie! Bestimmen Sie mit! Heute. Jetzt. Denn Kammern sind sich selbst verwaltende öffentlich-rechtliche Körperschaften. Sie verwalten die Interessen ihrer Mitglieder, sie verwalten die Interessen des Berufsstandes. Die verwalten sie anders als reine Interessenverbände oder -vereine, die vornehmlich Eigeninteressen vertreten. Kammern vertreten die Interessen mit Blick aufs Gemeinwohl; Kammern unterliegen als Vertreter ihrer Mitglieder keinen parteipolitischen Einflüssen. Ihre Stärke liegt darin, dass sie häufig kritische, immer dialogbereite - und vor allem beratende Partner von Politik und Verwaltung sind. Ihr Gewicht speist sich aus der gesetzlich unterfütterten und demokratisch legitimierten Verfasstheit - und aus ihrer Gesprächsbereitschaft. Das hört sich kompliziert an, lässt sich aber einfach beantworten: Was denn wäre, wenn es die Kammern nicht gäbe? Der Staat übernähme im Rahmen seines Sicherungsauftrages die ordnungspolitischen und hoheitlichen Aufgaben allein. Architektenliste und Überwachung der Berufsordnung würden wahrscheinlich Beamte übernehmen, ob Berufsbezeichnungen geschützt würden, bleibt offen. Informations- und Fortbildungsmöglichkeiten blieben - wenn überhaupt - staatlich. Und die Interessen des Berufsstandes? - Wer sollte sie vertreten?
Diesen Sachstand gab es schon einmal, die Eintragungsliste erfolgte über die Bezirksregierungen, Fort- und Weiterbildung gab es nicht, ein eigenes Versorgungswerk war in weiter Ferne. Diese Einschränkungen führten letztlich dazu, dass sich sogar die Berufsverbände selbst für eine Kammer stark machten, da sie die Wirkungsmächtigkeit der politisch legitimierten Kammern erkannten. Das alles wird heute recht locker gesehen, weil es funktioniert. Und was die Kosten angeht: Der Staat würde es sicher nicht preiswerter machen. Pflichtbeitrag auf anderem Weg.
Der Gesetzgeber hat der Architektenkammer Rheinland-Pfalz einen Katalog von Aufgaben übertragen. Sie lassen sich in drei Feldern beschreiben: Ordnungspolitische, hoheitliche Aufgaben / Dienstleistungen an Mitglieder / Interessenvertretung für den Berufsstand. Dabei handelt es sich in der Regel um Fragen der Länderkammern.
Doch zunehmend deutlicher wird erkennbar, wie das Handeln der Europäischen Union für die Rahmenbedingungen der Berufsausübung an Bedeutung gewinnt (gewonnen hat). Wer die Entscheidungsstränge täglich miterlebt, weiß, wie eng vernetzt die Interessenvertretung der Länderkammern in Abstimmung mit der Bundesarchitektenkammer erfolgen muss: Vergaberecht, Bauvertragsrecht, HOAI, Berufsanerkennungsrichtlinie, EnEV etc. sind Themen, welche die Länder zwar noch tangieren, im Wesentlichen aber von Europa- oder Bundespolitik gesteuert werden.
Es ist kaum zu erwarten, dass die Herausforderungen für den Berufsstand in Zukunft geringer werden. Um den Herausforderungen zu begegnen, ist eine starke Interessenvertretung unabdingbar. Starke Interessenvertretung bedeutet: Willen zur Mitwirkung, Engagement (siehe DAB regional 05.16). Eine starke Interessenvertretung bedeutet aber auch, dass sich die agierenden Kollegen gestützt sehen durch eine hohe Rückendeckung, sprich: Wahlbeteiligung der Mitglieder. Die signalisiert, dass man solidarisch hinter der Sache steht - auch wenn einem nicht jedes Detail gefallen will. So addieren sich rund 5.600 rheinland-pfälzische Kammermitglieder mit den Mitgliedern der anderen 15 Länderkammern zu rund 130.000 bundesweit vernetzten Kammermitgliedern, die sich wiederum zu rund 565.000 Architekten in Europa addieren, die im ACE (Architects‘ Council of Europe) zusammengefasst sind. Hier Verbündete für die eigenen Ziele zu finden, nämlich den Erhalt des gesellschaftlich und kulturell gewachsenen und bewährten Kammerwesens den Zielen eines globalisierten und liberalisierten Zweck-Marktes entgegenzustellen, ist eine der wichtigen Aufgaben. Und es funktioniert: Denn bislang hatte sich noch keine Bundesregierung so geschlossen hinter den Berufsstand gestellt, um die HOAI als verbindliches Preisrecht zu erhalten.
Was also kann dringlicher sein, als alle Kolleginnen und Kollegen, die als Architekten, Stadtplaner, Landschaftsarchitekten und Innenarchitekten, die als Freie Architekten wie auch als angestellte oder beamtete Architekten arbeiten, noch einmal auf die Kammerwahl im November 2016 aufmerksam zu machen? Folgen Sie dem Aufruf. „Quälen“ Sie sich. Stützen Sie mit Ihrer Stimme die berufsständisch und berufspolitisch agierenden Kolleginnen und Kollegen. Und sorgen Sie so mit für die Qualität IHRER Interessenvertretung. Heute. Jetzt.
Archivbeitrag vom 27. Oktober 2016