03. April 2020
Was tun bei Bauablaufstörungen?
1. Handwerker/Unternehmen erscheinen nicht auf der Baustelle bzw. können aufgrund behördlicher Anordnungen nicht mehr zur Baustelle kommen:
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Corona-Pandemie den Störungs- bzw. Behinderungstatbestand der "höheren Gewalt" auslösen kann. Von höherer Gewalt spricht man, wenn ein unvorhersehbares, von außen einwirkendes Ereignis vorliegt, das auch durch äußerste, nach der Sachlage zu erwartende Sorgfalt wirtschaftlich vertretbar nicht abgewendet werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit hinzunehmen ist.
Vereinfacht dargestellt dürfte höhere Gewalt als Behinderung bzw. Störung der Geschäftsgrundlage derzeit aufgrund der Corona-Pandemie anzunehmen sein, wenn z.B.
- ein Großteil der Beschäftigten eines Unternehmers aufgrund behördlicher Anordnung unter Quarantäne gestellt ist und er unter zumutbaren Bedingungen keine Ersatzkräfte beschaffen kann;
- wenn seine Beschäftigten aufgrund von Reisebeschränkungen oder Ausweisung von Risikozonen wegen COVID-19 die Baustelle nicht erreichen können.
Keine höhere Gewalt liegt vor, wenn Beschäftigte des Unternehmers lediglich aus Angst, sich zu infizieren, nicht auf der Baustelle erscheinen oder wenn der Unternehmer - wenn auch mit finanziellem Mehraufwand - Ersatzkräfte besorgen kann.
Im Falle der Verzögerungen/Störungen aufgrund höherer Gewalt werden Ausführungsfristen verlängert, bis die hindernden Umstände wegfallen.
Schadensersatzforderungen der Unternehmer gegen den Bauherrn werden in aller Regel mangels Verschulden des Auftraggebers an den hindernden Umständen ausgeschlossen sein.
Wichtig: Unternehmer, die sich auf höhere Gewalt wegen Corona berufen, müssen in ihrer Behinderungsanzeige konkret darlegen, aufgrund welcher Umstände sie sich genau behindert sehen. Eine pauschale Bezugnahme auf die Corona-Pandemie reicht nicht.
2. Materiallieferungen fallen aus:
Auch hier gilt jedoch, dass ein Schadensersatzanspruch für die verzögerungsbedingt entstandenen Kosten eine schuldhafte Pflichtverletzung des Unternehmers voraussetzt. Beruhen die fehlenden Materiallieferungen tatsächlich auf höherer Gewalt und nicht auf mangelhafter Vorausplanung des Unternehmers, fehlt es am Verschulden. Ggf. muss der Unternehmer jedoch auch hier Material zu höheren Preisen einkaufen, ohne sich auf höhere Gewalt berufen zu können.
3. Behinderungen bzw. fehlende Mitwirkungshandlung auf Seiten des Bauherrn:
weil dieser Mitwirkungshandlungen aufgrund von Corona-Maßnahmen nicht nachkommen kann (z.B., weil seine Baustelle in einem abgesperrten Quarantäne-Gebiet liegt und nicht zugänglich ist oder eine Behinderung für ein Nachfolgegewerk entsteht, weil das Vorgewerk aufgrund von höherer Gewalt nicht erbracht werden konnte) hängt auch davon ab, ob er sich seinerseits auf höhere Gewalt berufen kann. In diesem Falle dürften die Voraussetzungen für den Entschädigungsanspruch nicht vorliegen.
4. Der Architekt/die Architektin kann aufgrund Quarantäne oder Erkrankung selbst nichtmehr arbeiten bzw. Mitarbeiter/innen sind in Quarantäne bzw. erkrankt:
wenn der Architekt/die Architektin oder Mitarbeiter aufgrund von behördlichen Quarantäneanordnungen ihre Leistungen nicht oder nicht rechtzeitig erbringen können und auch nicht in der Lage sind, durch zumutbare Maßnahmen das Büro am Laufen zu halten. Eine zumutbare Maßnahme kann im Einzelfall auch sein, zu ermöglichen, dass Leistungen aus dem Homeoffice heraus erbracht werden können.
5. Mehraufwand beim Architekturbüro aufgrund der Corona-Krise:
z.B. durch Unternehmensinsolvenzen oder wiederholt zu erbringende Grundleistungen, richtet sich die Vergütung nach den allgemeinen Grundsätzen (§ 10 HOAI, §§ 650 q Abs. 2 i.V.m. § 650 b und c BGB).
6. Wer stellt Hygienemaßnahmen auf der Baustelle sicher?
den Gesundheitsschutz ihrer eigenen Mitarbeiter auf der Baustelle sicherzustellen und die erweiterten Hygiene-Maßnahmen für Baustellen umzusetzen (s. dazu: Unterweisungshilfe: Gemeinsam gegen Corona - Maßnahmen auf der Baustelle | BG BAU - Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft ).
Bauleitende Architekten/Architektinnen die als öffentlich-rechtliche Bauleiter/innen eingesetzt sind, sollten gleichwohl darauf achten, dass sichtbare Missstände dem Bauherrn mitgeteilt werden, damit dieser Abhilfe schaffen kann. In der Eigenschaft als öffentlich-rechtliche/r Bauleiter/in ist bei anhaltenden Missständen gegebenenfalls auch die Bauaufsichtsbehörde zu informieren. Obwohl Kontaktverbote bislang nur für den öffentlichen Raum gelten und Baustellen i.d.R. keine öffentlichen Räume sind, sollten Baubesprechungen auf das Nötigste reduziert werden und ausreichendes Abstandhalten zwischen den Teilnehmenden ermöglicht werden.