08. April 2004

Architekten in der (Ganztags)-Schule

Architektenkammer Rheinland-Pfalz schließt Rahmenvertrag "Architekten als außerschulische Partner in der Ganztagsschule"

Mehr als 160 sind es schon, bis Ende 2006 sollen es 300 werden: Ganztagsschulen (MEHR) werden in Rheinland-Pfalz in breiter Front eingerichtet. Das nachmittägliche Angebot in den Ganztagsschulen ist für die Schüler freiwillig, wer sich allerdings dafür entschieden hat, ist für das Halbjahr zur Teilnahme verpflichtet wie im "normalen" Vormittagsunterricht auch. Durch die Freiwilligkeit muss sich dann allerdings das Unterrichtsangebot der Nachmittage vom normalen Lehrplan unterscheiden, denn keines der Kinder, die nachmittags nicht dabei sind, darf bei den eigentlichen Schulfächern dadurch Defizite haben.

Mit dem zusätzlichen nachmittäglichen Unterrichtsangebot steigt der Bedarf an außerschulischen Lehrkräften in den Schulen und damit die Bereitschaft, Planen und Bauen, Architektur und Umweltgestaltung zum Thema zu machen.

Die Kammer wird Kooperationspartner

Aus diesem Grund schließt das rheinland-pfälzische Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend für die Ganztagsschulen Rahmenverträge mit Kooperationspartnern, die sich am Nachmittagsprogramm in den Ganztagsschulen beteiligen möchten. Die Bezahlung der außerschulischen Lehrkräfte erfolgt auf der Grundlage der Vergütungssätze für den nebenamtlichen/nebenberuflichen Unterricht. Für die Eingruppierung gelten die Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder entsprechend. Die Architektenkammer Rheinland-Pfalz wird einen solchen Rahmenvertrag mit dem Ministerium schließen. Projektverträge der Architekten, die in den Ganztagsschulen Unterricht anbieten wollen, klinken sich dann in den Rahmenvertrag ein. Abgewickelt wird alles über die Kammer als Kooperationspartnerin des Landes.

Die Architekten als außerschulischen Partner arbeiten in den Ganztagsschulen wie reguläre Lehrkräfte: Sie haben an in der Regel einem Nachmittag pro Woche zwei Unterrichtsstunden mit einer festen Schülergruppe und verpflichten sich meist für ein Schuljahr, mindestens aber für ein Halbjahr, diesen Unterricht anzubieten. Hauptsächlich Grund-, Haupt- und Regionalschulen beteiligen sich am Ganztagsschulprogramm. In den Klassen sind jeweils mehrere Jahrgangsstufen je nach Interesse der Schüler zusammengefasst.

Besonderheiten in der Ganztagsschule

Die Kinder und Jugendlichen haben am Nachmittag nur noch begrenzt Aufnahmebereitschaft für theoretische Inhalte. Ihrem Bewegungs- und Spieltrieb darf und soll daher im Unterrichtsangebot der außerschulischen Partner Rechnung getragen werden: Basteln, Werken, sinnlich Lernen, darum geht es. Dabei soll sich das Angebot nicht nur auf's Spielerische beschränken, sondern der am praktischen Arbeiten orientierte Unterricht verfolgt dabei durchaus Lernziele.

Bevor es aber in den Unterricht geht, gibt es auch für die angehenden außerschulischen Lehrkräfte einiges zu lernen: Wie gestaltet man eine Unterrichtsstunde? Welche Zeiten sind für welche Lern- und Arbeitsschritte einzuplanen? Wie können Kinder unterschiedlichen Alters zusammen lernen? Welche Verfahrensabläufe sind in der Schule zu beachten? Wie ist ein Ausflug zu organisieren? Einen ersten Einstieg in die Beantwortung dieser Fragen gab das Seminar "Architekten als außerschulische Partner der Ganztagsschule" in Trier im März 2004. Referenten des Pädagogischen Zentrums haben in Trier zwei Tage lang 35 Teilnehmern über die rechtlichen und pädagogischen Hintergründe näher gebracht und viel aus dem Schulalltag berichtet. Am Ende der beiden Seminartage war zweierlei klar: alle Teilnehmer waren der Auffassung, dass mehr als ein Seminar nötig sind, um wirklich auf den Schulalltag vorbereitet zu sein. In den kommenden Seminarprogrammen der Kammer wird es daher immer wieder entsprechende Angebote geben. Mehr als zwei Drittel der Teilnehmer waren aber dennoch fest entschlossen, das Thema Architektur an die Schulen zu bringen und wollen im Rahmen des Ganztagsprogramms als außerschulische Partner tätig werden.

An Informations- und Unterrichtsmaterialien mangelt es dabei nicht: das Pädagogische Zentrum selbst und der Bundesverband der Unfallkassen haben zwei Broschüren herausgegeben, die organisatorische Fragen klären: "Arbeitsgemeinschaften und Projekte an Ganztagsschulen - Leitfaden für außerschulische Partner" spricht alle Fragen vom Erstkontakt mit der Schule bis zur Unterrichtsvorbereitung an, auch Organisationsabläufe in den Schulen und den Kontakt zu Eltern. "Mit der Schulklasse unterwegs" bündelt Sicherheitsratschläge für Unterrichtsgänge, Exkursionen, Wanderungen und Klassenfahrten, für alles also, was außerhalb des Klassenzimmers stattfindet.

Beide Broschüren können kostenlos bei der Architektenkammer, Frau Seitz-Wollowski (Tel. 06131/99 60-23, vormittags oder E-Mail) angefordert werden.

"Praxis der Ganztagsbetreuung an Schulen" aus dem Forum Verlag Herkert gibt einen umfassenden Einblick in die Praxis der Ganztagsschulen vom Vergleich der unterschiedlichen Ansätze in den verschiedenen Bundesländern, über die Schritte zur Umwandlung einer Schule in eine Ganztagsschule inklusive der Kosten und der Finanzierung bis hin zur Gestaltung von Unterricht und außerschulischen Maßnahmen. Die sehr umfassende Darstellung in Lose-Blatt-Form hilft insbesondere bei der Entscheidungsfindung und im Umwandlungsprozess eine Schule in eine Ganztagsschule und richtet sich daher nicht nur an die außerschulischen Lehrkräfte, sondern gerade auch an Eltern und Lehrer, die ein solches Angebot an ihrer Schule umsetzen wollen. Das Werk ist im Buchhandel erhältlich (ISBN 3-89827-753-4) und kostet 58,00 €.

Die Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen hat zusammen mit der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen inzwischen insgesamt drei Unterrichtsmaterialien herausgegeben. Das erste Buch "Planen und Bauen: Meine Schule" richtet sich an die Sekundarstufe I und bietet die Grundlage für ein Projekt zur Umgestaltung der Schule bzw. des Schulhofes, es ist zur Zeit leider vergriffen. "Wie gewohnt?" richtet sich an Schüler der Sekundarstufe II und greift alle Fragen des Wohnens auf. Das dritte, eben erschienene Werk "Alles nur Fassade?" ist eine praktische Handlungsanleitung für Schüler in Projektwochen die Wohnung, das Wohnumfeld und das Bild der Stadt zu erkunden und zu analysieren, Bestandsaufnahmebogen und Möblierungsschablone inklusive.

 

Archivbeitrag vom 8. april 2004