18. November 2009

Architektentag in Landau will durchstarten

5. Oktober 2009
15/2009

Mainz/Landau. Architekten  befinden sich auf einer Gratwanderung zwischen Qualitätsanspruch und  wirtschaftlichen Notwendigkeiten. Die wirtschaftliche Lage engt ihren  Freiraum noch weiter ein. In Rheinland-Pfalz hat sich das  Geschäftsklima, im Gegensatz zum bundesweiten Trend, in den vergangenen  Monaten weiter verschlechtert. Mit der Frage, welche Auswege und Chancen  es dennoch gibt, beschäftigte sich der rheinland-pfälzische  Architektentag in der Landauer Festhalle. Mut zum Aufbruch machte  Reinhold Messner den rund 170 anwesenden Architekten aller  Fachrichtungen. Stefan Musil, Präsident der Architektenkammer  Rheinland-Pfalz, wurde in seinen Forderungen konkret: Die gesetzlichen  Regelungen sollen an die in den vergangenen Jahren geänderten  Bedingungen, an den erhöhten Bearbeitungsaufwand und die zusätzlichen  Risiken, die mit dem Bauen im Bestand verbunden sind - endlich angepasst  werden.

Musil wies in seiner Eröffnungsrede auf das Dilemma der Architekten hin: Persönlicher Anspruch, baukulturelle Verpflichtung und wirtschaftliche Zwänge stehen oft genug im Widerstreit. Zusätzlich stellt der Strukturwandel sie vor Herausforderungen: Der Neubau ist als Hauptbetätigungsfeld der Architekten weitgehend weggebrochen. Das „Bauen im Bestand“ bestimmt den Berufsalltag. Dem dadurch höheren Bearbeitungsaufwand und der größeren Verantwortung steht in der Ausbildung seit dem Bologna-Prozess mit dem sechssemestrigen Bachelor ein „Weniger“ konterkarierend gegenüber - eine für Musil nicht nachvollziehbare Entwicklung. Musil setzte sich vehement für die Schaffung eines Bauvertragsrechtes mit der angemessenen Verteilung von Haftungsrisiken ein. Es könne nicht sein, dass Architekten unabhängig vom Verursacherprinzip für alle Schäden haften.

Zur baukonjunkturellen Krise trägt die Investitionsmüdigkeit auf dem Wohnungsbausektor wesentlich bei. In den vergangenen Jahren wurde die Wohnbauförderung konsequent abgeschafft. In der Folge werden statt der notwendigen 250.000 bis 300.000 neuen Wohnungen jährlich, nur 175.000 errichtet. Nun drohen erhebliche Engpässe. Schließlich stellt Musil die Frage, ob die Architekten - allen anders lautenden Beteuerungen zum Trotz - mit dem Anspruch an bauliche Qualität nicht allein gelassen würden. Immerhin werde der Bau eines baukulturellen Sündenfalls wie des heimattümelden „Dorfes Eifel“ in Fachwerkoptik am Nürburgring, dessen Nachhaltigkeit oft genug bezweifelt wurde, durch die Politik unterstützt.

 

Reinhold Messner, selbst leidenschaftlicher Bauherr, lieferte das Kontrastprogramm. Er machte Mut. In eindrucksvollen Bildern berichtete er vom Bau der fünf Messner Mountain Museen in Südtirol und den Dolomiten. Für die der Bergwelt und ihren Kulturen gewidmeten Museen wurden Burgen und ein Teil der Alpenfestung durch zeitgenössische Architektur ergänzt. Messner sprach als Fachmann für Aufbrüche, als Grenzgänger, Bergsteiger, Buchautor, Politiker, der auch die Karriere als Museumsmacher gerade hinter sich lässt und zu seinem nächsten Projekt auf dem Weg ist.

Professor Dr. Siegfried Englert, Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau, griff das Statement von Präsident Musil auf. Er sah die Architekten in Rheinland-Pfalz vor großen Herausforderungen: "Wir sollten die momentane wirtschaftliche Krise als Chance nutzen. Als Chance, neue Perspektiven zu entwickeln auch für das Berufsfeld des Architekten. Ein Tätigkeitsfeld mit Zukunft ist dabei beispielsweise das energiesparende Bauen und die energiesparende Sanierung des Baubestandes. Hier kann der Architekt als Experte beratend tätig sein. Für Rheinland-Pfalz ist die Erhaltung der Ortszentren eine zentrale Herausforderung. Es sind Ideen gefragt, um einerseits Ortsbilder zu erhalten und dies andererseits modernen Wohnansprüchen anzupassen", sagte Englert.

Die Bedeutung der Baubranche unterstrich auch Michael Halstenberg, Ministerialdirektor im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen. Damit effizienter gebaut werden könne, müsse die Kommunikation an den Schnittstellen verbessert werden, das „Leitbild Bau“, initiiert durch das Ministerium, will den Grundstein dazu legen. Entscheidend für mehr Qualität beim Bauen, sei eine veränderte Sichtweise, weg von den reinen Baukosten, hin zu einer Betrachtung des gesamten Lebenszyklus’ des Gebäudes, einschließlich der Betriebskosten. Dann werde sich zeigen, dass Qualität effizient und kostengünstig sei. Zurzeit befänden sich die Architekten in einem Preiswettbewerb, der dringend in einen Qualitätswettbewerb umgewandelt werden müsse. Auskömmliche Honorare seien dafür eine Grundlage. Die zehnprozentige Erhöhung der Sätze in der neuen HOAI sei daher das Minimum gewesen. Halstenberg betonte die Notwendig eines ausgebildeten Nachwuchses. Der Bologna-Prozess, mit der Einführung eines sechssemestrigen Bachelor-Abschlusses habe da einiges zum Schlechteren gewandelt. Es sei nicht einmal der Versuch unternommen worden, etwa durch Investitionen in hohe Betreuungsintensität Rahmenbedingungen zu schaffen, damit in der verkürzten Studienzeit die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten erlangt werden könnten.

Professor Dr. Christoph Hommerich, der in den vergangenen Jahren mehrere Studien zur wirtschaftlichen Lage von Architekturbüros erstellt hat, fasste den Strukturwandel in Zahlen: Die Baugenehmigungen für Wohnungen im Land sind in den vergangenen 15 Jahren von 43.000 pro Jahr auf 9.000 zurückgegangen, im Bund von 713.000 auf 175.000. Sein Rat an Architekten: Um sich auf dem schwierigen Markt zu behaupten, müssten sie sich besser vernetzen und ihre Kompetenz verstärkt kommunizieren.

Mehr Kommunikation forderte auch Dr. Michael Coridaß, Hauptgeschäftsführer der Architektenkammer Rheinland-Pfalz. Qualität hat ihren Wert, das müsse auch verständlich und nachvollziehbar bei Auftraggebern und Nutzern ankommen. So müsse die Architektenschaft - gleichzeitig Teil der Kreativwirtschaft wie des Immobiliensektors - den Spagat zwischen Kunst und Kommerz schaffen. Es gelte, die Balance zwischen Umatz und Rendite einerseits und andererseits dem öffentlichen Gut Baukultur, das einen größeren Nutzen stiften kann, als sich in Marktentwicklungen und Honorarzahlungen ausdrückt, zu wahren.

Netzwerkarbeit, „Klüngeln“, hält auch Anni Hausladen, Supervisorin sowie Business- und Karriere-Coach aus Köln, für ein wichtiges Erfolgsrezept. Erste Tipps gab sie in Landau vor der Mittagspause.

Um Kommunikation und Zusammenarbeit ging es letztlich auch bei den anderen Referenten. Der Architekt und Stadtplaner Klaus Wehrle stellte den „Bauteam-Gedanken“ vor. Planer, Bauherr und ausführende Unternehmen arbeiten hierbei ab einem frühen Zeitpunkt eng zusammen, mit dem Ziel, die Bauabläufe und Konstruktion zu optimieren und so eine hohe bauliche Qualität bei niedrigen Kosten zu realisieren. Doch neue Wege betreten bedeutet auch immer, mit Unwägbarkeiten konfrontiert zu werden. Über die rechtlichen Konsequenzen des Bauteam-Gedankens diskutierte Wehrle anschließend mit dem Rechtsanwalt Karsten Meurer und der Versicherungsexperte Bernhard Fritsch.

Professor Dr. Gunnar Schwarting, Geschäftsführer des Städtetages Rheinland-Pfalz, sprach über die Situation der Bauverwaltungen und die Funktion des Architekten als Mediator zwischen privatem Bauherrn und Kommune. Nach Auffassung der Architektenkammer müssen die Funktionen einer fachlich qualifizierten Bauverwaltung erhalten und gestärkt werden.
Andreas Wolf, der als angestellter Architekt zurzeit für ein großes Unternehmen in den USA Immobilien bewertet, vertrat die Meinung: Architekten können viel mehr. Er zeigte Möglichkeiten für Spezialisierungen auf.

Der Oberbürgermeister der Stadt Landau, Hans-Dieter Schlimmer, begriff Baukultur und Stadtentwicklung als Standortfaktor. Zwar könne die Kommune nichts verordnen, nur fördern, hier stehe sie aber in der Pflicht: Langfristige Strategien der Stadtentwicklung aufzulegen und durchzuhalten, darin sah er den Erfolg. Landau habe die Chance zum Aufbruch nach dem Abzug der französischen Armee in den 90er Jahren ergriffen.

Der Architektentag Rheinland-Pfalz findet alle drei bis fünf Jahre als Kommunikationsplattform der Architekten aller Fachrichtungen und der im Bausektor und der Politik im Land Verantwortlichen statt. Während sich die früheren Architektentage hauptsächlich mit vorbildlichem Bauen und Fragen der Baukultur und Gestaltung von Regionen befasst hatten, setzte sich der diesjährige kritisch mit den künftigen (kultur-)wirtschaftlichen Herausforderungen an den Berufsstand auseinander.

    

Archivbeitrag vom 5. Oktober 2009