10. Dezember 2021

Noch gut - Graue Energie

Bildmontage "Noch Gut"
Foto: Annette Müller, Mainz

Der nachhaltige Umgang mit grauer Energie steht im Fokus der fünften Folge der Podcastreihe „Kreislaufwirtschaft“. „Sanieren statt abreißen“ lautet die wichtigste Forderung, doch hierfür bedarf es auch gesellschaftlichen Umdenkens.


Dass sich der Kreislauf in Zukunft langsamer drehen muss, um die graue Energie des Gebäudebestands zu heben, darüber herrschte große Einigkeit unter den Gästen der fünften Podcastfolge. Bei „Noch gut“ diskutierten der Stiftungsprofessor für Urbane Innovation – Mobilität, Gesundheit, Digitalisierung – Dr. Stephan Jansen von der Universität der Künste in Berlin, Muck Petzet, Architekt und Professor für Sustainable Design und Entwurf an der Accademia di architettura in Mendrisio (Schweiz) und die freischaffende Architektin und Vizepräsidentin der Architektenkammer Rheinland-Pfalz,  Edda Kurz. Das Gespräch moderierte die Pressesprecherin der Architektenkammer Annette Müller.

Im Jahr 2012 hatte Muck Petzet als Kurator des Deutschen Pavillions auf der Biennale in Venedig das Bauprinzip „Reduce - Reuse - Recycle“ lanciert. Was damals noch revolutionär klang, erlebt heute in der Architektenschaft eine Renaissance. „Müllvermeidung vor Recycling“ oder „Umbauen statt neu bauen“ heißen die neuen Leitplanken. Doch wie gehen die  Forderungen der Branche mit dem gesellschaftlichen Zeitgeist zusammen? Wenig, sagt Edda Kurz. Im Gegenteil, die Architektin vermisst die Wertschätzung für den Bestand unter den Bauherren. So umfasse zwar der Lebenszyklus von Altbauwohnungen aus der Gründerzeit inzwischen 120, 140 Jahre. Wohnhäuser jüngeren Datums, insbesondere Nachkriegsbauten, gelten hingegen bereits nach 50 Jahren als „abgeschrieben“. „Etwas Neues“, so die Expertin, „wird als Wertiger angesehen, wir müssen aber das Bewusstsein dahingehend verändern, dass „neu“ kein Wert an sich ist.“ Mehr Respekt vor dem Bestand wünscht sich auch Muck Petzet, er könne sich sogar vorstellen, diesen mit der Einführung einer Art „Dosen-“Pfand für Gebäude zu erwirken.

Stephan Jansen legte mit einer weiteren Zahl nach: Bei 36 Jahren liege das Durchschnittsalter von Wohneigentum in Deutschland. Gleichzeitig steige die Lebenserwartung der Menschen, die darin wohnen. Dies könne nicht funktionieren. Aber auch der Wohnflächenverbrauch pro Kopf sei von 34,9 Quadratmetern im Jahr 1990 auf heute 47,4 Quadratmeter pro Person angestiegen. Aus der Glücksforschung wisse man hingegen, das 25 Quadratmeter pro Person ausreichen - vorausgesetzt es stehen ausreichend öffentliche Räume, Cafes und Parks zur Verfügung. Platz hierfür könnte unter anderem durch neue Formen des Teilens entstehen. Jansens Hauptanliegen aber ist: „wir brauchen weniger Autobahnen und mehr Fahrradstraßen“. Die klimaneutrale und gesundheitsfördernde Stadt seien die Narrative für eine Transformation, die in Zeiten der Verrechtlichung des Klimaschutzes nicht mehr nur eine Option sei sondern eingeleitet werden müsse. Erste erfolgreiche Projekte, in denen Büros zu Wohnraum umgebaut werden, seien bereits am Start. Die Immobilien- und Quartiersentwicklung müsse dabei prinzipiell ganzheitlich betrachtet werden, fordert Jansen. 

Architektin Edda Kurz hingegen fokussierte stärker auf das Einzelgebäude und machte sich primär für Detaillösungen stark. Saniererinnen und Sanierer seien etwa gefordert, Möglichkeiten zu finden, die Haustechnik auszutauschen, ohne das Gebäude vollständig zu entkernen. Architektinnen und Architekten hingegen müssten Gebäude von vornherein so konstruieren, dass sie später an den gesellschaftlichen Wandel angepasst werden können...

Zugeschaltet war Muck Petzet, Architekt und Professor für Sustainable Design und Entwurf an der Accademia die achitettura in Mendrisio (Schweiz)     

Er leitet das Büro Muck Petzet Architekten, München / Berlin.

Muck Petzet ist Professor "Sustainable Design" und Entwurf an der Accademia di architettura / USI in Mendrisio (Schweiz).

Zuvor hatte er einen Lehrauftrag im Fachbereich Entwurf an der Hochschule Liechtenstein, Vaduz und eine Gastprofessur an der Technischen Universität München, hier zum Thema "Ressource Architektur".

Darber hinaus hielt er Vorlesungen / Vorträge an der Fachhochschule Anhalt, der TU Berlin, der Bauhausuniversität Weimar, der FH Erfurt, der TU Graz, der TU München, der Zollverein School, der FH Zwickau, der DAM Frankfurt, der HS Coburg und der TU Darmstadt

Er bewegt er sich laut eigenen Angaben mit seinem "Engagement in der Nachhaltigkeits-Forschung – und seiner Arbeit als Kurator, Autor und ‚Propagandist‘ für ein neues Verständnis von Bestand als Ressource (...) jenseits der Grenzen seiner Disziplin".

Herr Muck Petzet war Generalkommissar und Kurator des deutschen Pavillions mit dem Titel "Reduce - Reuse - Recycle" auf der 13. Architekturbiennale in Venedig im Jahr 2012, was ihn für diesen Podcast prädestiniert.

 

 

 

Ebenfalls zugeschaltet: Dr. Stephan Jansen von der Universität der Künste in Berlin, dort Stiftungsprofessor für Urbane Innovation - Mobilität, Gesundheit, Digitalisierung -   

Stephan A. Jansen verbindet laut eigenen Angaben "Bildung, Beratung und Bikes - und arbeitet in Forschung, Lehre und Unternehmertum an sozialen und digitalen Innovationen im Bereich Mobilität, Städte, Gesundheit, Philanthropie sowie der Bildung und Innovation selbst".  

Er hat seit Juli dieses Jahres eine Stiftungsgastprofessur an der »Universität der Künste für Urbane Innovation – Mobilität, Gesundheit und Digitalisierung« in Berlin.

Stephan A. Jansen forscht außerdem am Alexander von Humboldt Institut für Internet & Gesellschaft in Berlin und ist  Gründungskoordinator des »Digital Urban Center for Aging & Health« (DUCAH) gemeinsam mit der Charité und den Berliner Universitäten sowie Digitalforschungsinstituten Einstein Center und Weizenbaum Institut sowie über 30 Gründungspartnern aus Wirtschaft, Wohlfahrt, Verbänden, Gesundheits-, Digital- und Immobilienwirtschaft.  

Er ist Geschäftsführer der Gesellschaft für Urbane Mobilität BICICLI
und deren Mobilitätsberatung MOND – das steht für „Mobility New Designs“

und er ist berufener Professor für Management, Innovation & Finance an der Karlshochschule Karlsruhe und leitet dort das "Center for Philanthropy & Civil Society" (PhiCS).

Stephan A. Jansen ist zudem Kolumnist im Wirtschaftsmagazin "brand eins". Die Kolumne mit dem Titel "Wie geht Konsumgesellschaft ohne Konsum?" hat ihn hierher geführt.
 

 

 

 

Vizepräsidentin Edda Kurz fordert ein Umdenken: "Eine Pressemeldung, die verkündet, dass eine Stadt eine Kindertagesstätte neu errichtet hat, strahlt immer noch positiver und funkelnder als die Meldung, dass eine Stadt eine Kita saniert hat."     

Ihr besonderes Interesse zielt auf den Bestand und zwar gleichermaßen auf den denkmalgeschützten wie auf den, der ungeschützt dem Mutwillen des Marktes ausgesetzt ist.

Und sie kämpft dafür – zum Beispiel, für den Erhalt des Mainzer Rathauses,
einem Jacobsen Bau.