21. Juni 2022

Mehr Suffizienz

Architektin Jutta Stammwitz-Becker
Architektin Jutta Stammwitz-Becker
Foto: privat

Jutta Stammwitz-Becker, Architektin im öffentlichen Dienst, will mit ihrer Arbeitsgruppe für das Thema Suffizienz sensibilisieren. Über sich, ihre Ziele und den Benefit von ehrenamtlichem Engagement erzählt sie im Gespräch.

Frau Stammwitz-Becker, Sie sind seit 2011 in der Kammergruppe 10 aktiv und seit 2016 in der Vertreterversammlung. Warum?

Die ehrenamtliche Arbeit macht großen Spaß und bietet vielfältige Möglichkeiten zum fachlichen Austausch sowie zur Vernetzung mit Kolleginnen und Kollegen aller Fachrichtungen. Neben der Kammergruppenarbeit mit ihren zahlreichen spannenden Formaten wie Exkursionen und Vorträge habe ich 2016 erstmals auch für die Vertreterversammlung kandidiert. Hier kann ich noch einmal ganz anders Einfluss nehmen auf berufsständische Themen, Berufspolitik und letztlich auf die Förderung der Baukultur.

Kürzlich haben Sie die Arbeitsgruppe „Suffizienz“ angeregt. Was sind Ihre Ziele?

In erster Linie, um für Suffizienz zu werben und den Diskurs voranzubringen. Das Thema ist zwar nicht neu, angesichts von Klimawandel und Ressourcenknappheit, aber wichtiger denn je. Architekten können durch nachhaltiges, klimaschonendes Bauen einen wichtigen Beitrag leisten. Immerhin ist der Gebäudesektor für 50 Prozent des Energie- und Materialverbrauchs sowie für 60 Prozent des Abfallaufkommens verantwortlich. Auch die Flächenversiegelung liegt noch weit über dem von der Bundesregierung ausgegebenen 30-Hektar-Ziel.
Wir wollen Wissen bündeln und den Suffizienzbegriff sowohl für den Berufsstand als auch für die interessierte Fachöffentlichkeit greifbarer machen. Was ist eigentlich Suffizienz? Es ist eben nicht verzichten, sondern bewusstes sich reduzieren und daraus Mehrwert generieren – getreu dem Motto „Weniger ist mehr!“. Wir wollen herkömmliche Modelle hinterfragen und über effektive Suffizienz-Strategien wie Re-Use statt Recycling nachdenken. Neben einer Handreichung ist auch eine Info-Veranstaltung in Planung. Wir haben uns also viel für das Jahr vorgenommen. Grundsätzlich sehe ich es aber als eine Dauer- und Querschnittsaufgabe an, die aus einer solchen Arbeitsgruppe erwachsen kann.

Seit über zehn Jahren arbeiten Sie bei der SGD Süd. Was sind Ihre Schwerpunkte dort?

Ich arbeite im Referat „Bauwesen“, das unter anderem im Bereich des staatlich geförderten Hochbaus zuständig ist. Wir beraten öffentliche Bauherren wie Kommunen bei ihren Planungen beispielsweise zu Standortwahl, Raumprogramm und energetischen Standards und behalten Baukosten sowie eine lebenszyklusorientierte Wirtschaftlichkeit im Blick. Gemeinsam mit den öffentlichen Bauherren und den zuständigen Förderressorts suchen wir nach einer angemessenen Lösung für die jeweilige Bauaufgabe. Dazu sollten wir möglichst frühzeitig eingebunden werden, denn in der „Phase 0“ werden letztlich die Weichen gestellt.

Wie bekommen Sie Ehrenamt und Anstellung unter einen Hut?

Architektinnen und Architekten sind vor allem eines: Organisationstalente. Und dank flexibler Arbeitszeiten und einem verständnisvollen Arbeitgeber, der ehrenamtliches Engagement unterstützt. Zudem werden die Termine für die Vertreterversammlungen frühzeitig bekannt gegeben. So lässt sich gut planen und Ehrenamt und Berufsalltag problemlos miteinander vereinbaren. Welche Rolle spielt das Thema Suffizienz in Ihrem Berufsalltag? In meinem Arbeitsalltag geht es immer auch um eine möglichst sparsame Verwendung öffentlicher Mittel. Dabei stellen sich Fragen nach dem Umgang mit vorhandener Bausubstanz, nach flexiblen Nutzungen oder Reduzierung des Ressourcenverbrauchs zum Beispiel durch Begrenzung des Technisierungsgrads. Eine Fragestellung, die mir oft begegnet, ist: Wie kann man die Flächeneffizienz erhöhen? Wenngleich Suffizienz natürlich noch viel weitreichender zu verstehen ist.

Welchen Benefit bringt das Ehrenamt gerade auch für angestellte und beamtete Architektinnen und Architekten mit sich?

Durch den Dialog mit den Kolleg:innen in den Büros und in der Wirtschaft wird das gegenseitige Verständnis gefördert, zumal das Ehrenamt einen tollen Ausgleich zum beruflichen Alltag bietet und den Horizont erweitert. Ich kann daher alle angestellten und beamteten Architekt:innen nur ermutigen, sich zu engagieren. Gerade die Mitwirkung in der Kammergruppe ist sehr niederschwellig. Hier kann man sich mit seinen Ideen und Vorschlägen einbringen. Exkursionen werden unternommen, Vorträge und Ausstellungen organisiert. Den Ideen rund ums Planen und Bauen sowie zur Unterstützung regionaler Baukultur sind fast keine Grenzen gesetzt.

Welchen Beitrag kann Ihr Berufsstand zum Thema Suffizienz leisten?

Wir haben eine Schlüsselrolle beim Thema Suffizienz. Wir sind nah am Bauherren, wenn nicht sogar Bauherrenvertretung und können im frühen Planungsstadium für den Suffizienzgedanken werben. 

 

Das Interview führte Lena Pröhl.