20. Juli 2021

Mehr Flexibilität!

Portrait
Uwe Knauth, Architekt, Landau
Foto: Heike Rost, Mainz

Wohnen und Arbeiten verfließen zunehmend miteinander

Die Überraschung war groß, als wir vor eineinhalb Jahren plötzlich mit der Pandemie konfrontiert waren und von nun an auch noch Homeoffice und Homeschooling in unsere Wohnungen integrieren sollten.

Vor allem Haushalte mit kleinerem Wohnraum sahen sich hier großen Belastungen ausgesetzt. Die angestammten Wohnmodelle konnten die zusätzlichen Funktionen, die oft genug die alten auf den gleichen Flächen überlagerten, nicht hinreichend erfüllen. Wer konnte, reagierte flexibel und hielt nach einer größeren Wohnung Ausschau, immer mit dem Ziel, Wohnen, Arbeiten und Schule soweit wie nur möglich voneinander zu trennen. Die Renaissance der geschlossenen Tür! Denn es zeigte sich schnell, dass Wohnungen mit abgrenzbaren Räumen, schlagartig offeneren Wohnkonzepten vorgezogen wurden.

Wir brauchen Begeisterung und Flexibilität für die Entwicklung eines neuen Lebensmodells!
Vorstandsmitglied Uwe Knauth

Mit den Erfahrungen aus den vergangenen eineinhalb Jahren wünschen sich die meisten Menschen, das Homeoffice zumindest teilweise beizubehalten. Die Herausforderung wird also darin liegen, in unseren Städten attraktiven und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, der auch bei Erfüllung der neuen Anforderungen eine hohe Lebensqualität ermöglicht.

Eine anspruchsvolle Aufgabe, wenn man flächenschonend nicht dem Einfamilienwohnhaus, sondern dem Geschosswohnungsbau Vorrang gewähren möchte. Die Weiterentwicklung oder Verdichtung der Innenstädte und die Anbindung der Randlagen sind spannende Zukunftsaufgaben für Stadtplanung und Architektur. Die Wohnungen selbst werden idealerweise mit einem mehrteiligen Raumkonzept entwickelt, um die differenzierten Nutzungen zukunftsfähig integrieren zu können. 

Flexible Grundrisslösungen lassen temporäre Nutzungsvielfalt zu, möglichst ohne zusätzliche Flächen zu verbrauchen. Nicht Pflichterfüllung aus der Zwangslage, sondern Begeisterung und Kreativität für die Entwicklung eines neuen Lebensmodells sind angesagt.

Eine der Herausforderungen wird es sein, dies alles ohne oder doch mit überschaubarem Mehraufwand an Fläche zu realisieren. Denn schon jetzt ist der durchschnittliche Wohnflächenverbrauch pro Kopf hoch – mit Blick auf Klimaschutz und Ressourcenverbrauch zu hoch. Und auch der zusätzliche Verbrauch von Bauland muss dringend reduziert werden: Durch Flächenrecycling und intelligente Dichte. Nur so können neben zukunftsfähigen Mobilitätskonzepten auch konzentrierte Bauformen in den Städten einen flächenschonenden Beitrag zum Klimaschutz leisten. 

Wer nicht zu Hause arbeiten möchte, hat neuerdings mit den auch in kleineren Orten entstehenden Co-Working-Spaces die Möglichkeit konzentriert zu arbeiten und darüber hinaus die Flächen mit flexiblem Raumkonzept vielfältig für Präsenzmeetings und Workshops zu nutzen.

So sehr aktuell das Leben auf dem Land erstrebenswert erscheint, so sehr reizen die Klein- und Mittelstädte individueller Prägung mit einem inspirierenden Kultur- und Freizeitangebot. Dieses Potenzial gilt es nach der Pandemie wieder zu entdecken. Als Orte der kurzen Wege, die mit einer ausgewogenen Dichte und Freiraumqualitäten zu Kommunikation und Begegnung motivieren.